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Über den Wassern

Über den Wassern

Titel: Über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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oder? Jedenfalls, sie haben irgendwie bedeutend ausgesehen. Sie fragten: ‚Bist du Nid Delagard?’ Als wenn sie das nicht wüßten. Und ich hab das bestätigt und dann haben sie mich erwischt.«
    »Dich erwischt?«
    »Ich meine, sie haben mich leibhaftig gepackt. Haben ihre komischen kleinen Flossen auf mich gelegt. Mich an die Mauer meiner eigenen Werft gedrückt und mich mit Gewalt festgehalten.«
    »Du kannst von Glück sagen, daß du überhaupt noch da bist und drüber reden kannst.«
    »Mach keine Witze, Doc. Ich sag dir, ich hab eine Scheißangst gekriegt. Ich glaubte schon, die werden mich da an Ort und Stelle ausnehmen und filetieren. Da! Da schau nur, die Spuren von ihren Klauen auf meinem Arm.« Er präsentierte als Beweis ein paar schwach rötliche Hautstellen. »Und mein Gesicht ist geschwollen, oder? Ich hab versucht, den Kopf wegzudrehen, aber einer von den Typen hat mir eine verpaßt. Vielleicht unabsichtlich, aber schau dir das mal an, schau nur! Zwei von ihnen haben mich festgehalten, und ein dritter schob mir die Nase ins Gesicht und fing an, mir Sachen zu sagen, und ich mein, er hat mich damit regelrecht vollgesabbert, Sachen, mit lautem dröhnenden Gebell... oumwang-boufff-ßßßiezzd und so weiter. Zuerst war ich dermaßen durcheinander, daß ich überhaupt nichts kapiert hab. Aber dann fing ich an klar zu begreifen. Weil, die wiederholten das nämlich immer und immer wieder, bis sie sicher waren, ich hab es kapiert. Und was es war, es war ein Ultimatum!« Delagards Stimme sank einige Oktaven tiefer. »Wir sind von der Insel verbannt. Sie schmeißen uns raus! Wir haben dreißig Tage Zeit, von hier zu verschwinden. Alle, bis zum letzten Kind.«
    Plötzlich hatte Lawler das Gefühl, als wiche der Boden unter seinen Füßen weg.
    »Was?«
    In Delagards Augen lag nun ein hartes, verzweifeltes Glitzern. Er forderte mit einer Handbewegung einen weiteren Becher Schnaps. Lawler goß ein, ohne darauf zu achten, wieviel. »Jeder menschliche Insulaner, der sich nach diesem Termin noch auf Sorve aufhält, wird in die Lagune geworfen und darf nicht wieder an Land. Alles, was wir hier erbaut haben, wird zerstört. Der Wasserspeicher, die Werft, die Gebäude da auf dem Platz, alles. Was wir in unseren Vaarghs zurücklassen, wird ins Meer geworfen. Alle hochseetüchtigen Schiffe, die wir im Hafen zurücklassen, werden versenkt. Wir sind erledigt, Doc! Sorve ist nicht mehr unsere Insel. Wir sind verbannt, erledigt, kaputt!«
    Lawler starrte ihn ungläubig an. Ein kreisender Wirbel von Gefühlen durchströmte ihn rasch: Orientierungsverlust, Deprimiertheit, Verzweiflung. Dann wurde er verwirrt und begriff nicht mehr. Von Sorve fortgehen? Weg von Sorve?
    Er begann zu zittern. Mühsam gewann er wieder die Kontrolle über sich.
    Zwischen den Zähnen sagte er: »Es ist ganz gewiß keine Heldentat, einige Taucher bei einem Industrie-Entwicklungsprojekt umzubringen. Aber das da erscheint mir denn doch als ziemlich übertriebene Reaktion. Du hast sie bestimmt mißverstanden.«
    »Ja, Scheiße, hab ich! Keine Spur... Die haben außerordentlich deutlich gemacht, was sie meinten.«
    »Und wir müssen alle fort?«
    »Wir alle, ja. In dreißig Tagen.«
    Habe ich mich da nicht verhört, fragte Lawler sich. Ist das alles wirklich wirklich?
    »Haben sie dir einen Grund angegeben?« fragte er. »War es wegen der Taucher?«
    »Natürlich wegen denen«, sagte Delagard mit leiser, von Scham verschleierter Stimme. »Wie du schon heut früh gesagt hast: Diese Kiemlinge wissen immer ganz genau über alles Bescheid, was wir tun.«
    »O Jesus!« Inzwischen begann sein Zorn die erste schockierte Bestürzung abzulösen. Delagard hatte frech und unbekümmert das Leben aller auf der Insel hausenden Menschen aufs Spiel gesetzt - und er hatte verloren. Die Gillies hatten ihn vorher bereits gewarnt: Mach so was nicht noch mal, oder ihr fliegt hier raus! Und Delagard hatte es trotzdem wieder getan! »Was bist du doch für ein widerwärtiges, dreckiges Schwein, Delagard!«
    »Aber ich weiß doch gar nicht, wie sie mir draufgekommen sind. Ich hab alle erdenklichen Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Wir haben sie in der Nacht gelandet. Wir haben sie zugedeckt gehalten, bis wir im Schuppen waren, und auch der war abgeschlossen...«
    »Aber sie wußten es trotzdem.«
    »Haben sie«, konzedierte Delagard. »Diese Kiemlinge wissen immer alles, was los ist. Wenn du mit der Frau von ‘nem andern schläfst, die wissen es. Aber es ist ihnen egal. Bloß hier

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