Über den Wassern
werden ungefähr so lang, wenn sie erwachsen sind, und es sind ganz gemeine Biester.« Delagard breitete die Hände etwa einen halben Meter weit aus. »Wenn du nicht weißt, was hier draußen was ist, Doc, dann läßt du es besser nicht auf Bißnähe an dich rankommen. Ist ‘ne gute Überlebensregel, hier draußen.«
»Ich werde sie mir zu Herzen nehmen.«
Delagarde lehnte sich an die Reling und schenkte ihm ein zähnefletschendes Grinsen, das wahrscheinlich ermunternd sein sollte. »Und wie gefällt dir das Leben auf See bisher?« Er war verschwitzt von der Arbeit in der Takelung, atmete heftig, war irgendwie aufgedreht. »Ist der Ozean nicht wundervoll?«
»Er hat bestimmt seine Reize, vermute ich. Und ich gebe mir große Mühe, sie zu entdecken.«
»Nicht gerade glücklich, was? Nicht genug Platz in der Kabine? Die Gesellschaft nicht anregend genug? Die Aussicht langweilig?«
Lawler fand das nicht komisch.
»Nid, tu mir ‘nen Gefallen und verpiß dich!«
Delagard scheuerte an einem Flecken Hexenfischschleim auf seinem Stiefel herum.
»Mann, ich wollte doch bloß einen netten kleinen Schwatz mit dir halten.«
LAWLER BEGAB SICH unter Deck und bahnte sich einen Weg zu seiner Kabine am Heck. Hier unten gab es einen engen dumpfigen Gang längsschiffs, der nur von dem fettigen spuckenden Lichtschein der Fischtranfunzeln erhellt wurde, die in knöchernen Wandhaltern brannten. Die schwere rauchgeschwängerte Luft brannte ihm in den Augen. Er hörte die Oberflächenwellen gegen die Bordwand schwappen und das dumpfe verzerrte Echo in den Spanten. Von droben drang das schwere Knirschen der Masten in den Krampen.
Als Schiffsarzt stand Lawler eine der drei kleinen Einzelkabinen am Heck zu: Struvin hatte die daneben gelegene Backbordkabine. Delagard und Lis Nikiaus bewohnten zusammen die größte von den dreien weiter drüben am Steuerbordschott. Alle übrigen hausten zusammengedrängt im Vorschiff in zwei langen Abteilen, die als Aufenthaltsräume für Passagiere benutzt worden waren, als das Schiff als Fähre zwischen den Inseln eingesetzt war. Die erste Wache hatte das Abteil backbord, die zweite das steuerbord bezogen und dort ihren Kram verstaut.
Kinverson und Sundira waren in verschiedenen Wachen gelandet, hatten demzufolge also ihre Kojen nicht im selben Abteil. Lawler war darüber erstaunt. Nicht daß es so wichtig gewesen wäre, wirklich, wer wo schlief; es gab in diesen überfüllten Räumen sowieso kaum eine Möglichkeit zu ungestörter Intimität, so daß alle, die Lust auf ein paar lustvolle Momente hatten, sowieso ein Deck tiefer kriechen mußten, in den Frachtraum, um dort, zwischen Packkisten gequetscht, ihre Kopulationsbedürfnisse zu stillen. Aber waren die zwei überhaupt ein Paar, wie Delagard gesagt hatte, oder nicht? Dem Anschein nach nicht, das wurde Lawler mehr und mehr klar. Oder, falls doch, dann war es wohl eine recht lockere Beziehung. Seit Beginn der Fahrt schienen sie einander ja kaum überhaupt beachtet zu haben. Vielleicht war ihre Beziehung auf Sorve, was immer und wie immer und ob überhaupt da etwas war, weiter nichts gewesen als eine kurze Eskapade ohne Bedeutung, ein zufälliges Zusammenprallen körperlicher Bedürfnisse, ein angenehmer Zeitvertreib.
Lawler stieß mit der Schulter die Tür zu seiner Kabine auf und trat ein. Der Raum war nicht viel größer als ein Schrank und enthielt nichts weiter als eine Koje, eine Waschschüssel und eine kleine Holzkiste, in der er seine spärlichen persönlichen Besitztümer aufbewahrte, die er von Sorve mitgenommen hatte. Delagard hatte niemandem viel persönliches Gepäck erlaubt. Lawler hatte einige Kleidungsstücke gewählt, sein Angelzeug, ein paar Töpfe, Tiegel und Teller, einen Spiegel. Natürlich hatte er auch die Artefakte von der ERDE mitgenommen. Sie lagen auf einem Bord, seiner Koje gegenüber.
Den Rest seiner Habe, wenn man es als solche bezeichnen konnte, seine bescheidenen Möbel und Lampen und einige Ziergegenstände, die er aus Strandgut selbst gefertigt hatte, hatte er den Gillies vererbt. Seine Praxisausrüstung, die meisten seiner Medikamente und die schmale Bibliothek handschriftlicher Fachtexte befanden sich vorn neben der Kombüse in einer Kabine, die als Krankenstation diente. Der Großteil der Arzneivorräte lagerte drunten im Frachtdeck.
Er entzündete einen Wachsstock und besah sich im Spiegel seine Wange. Der ‚Spiegel’ war ein klobiges grobes Stück Seeglas, das Sweyner vor Jahren für ihn gefertigt
Weitere Kostenlose Bücher