Über den Wassern
diesen Schiffen Delagards, die imposanter waren als die kleinen Fischerkähne, mit denen die Insulaner in der Bucht umhergeschippert waren oder zu zaghaften Vorstößen ein Stück weit darüber hinaus, trug jeder der zwei Masten ein großes Dreieckssegel aus dichtgeknüpften Bambusstreifen und darüber an einer Rah ein kleineres rechteckiges Segel. Zwischen den Masten war ein weiteres kleineres Dreieckssegel befestigt. Die Hauptsegel waren an schwere hölzerne Spieren gebunden; Anordnungen von Seilen mit darauf laufenden Wülsten und Gaffelklampen hielten sie in Position, und sie wurden durch Falleinen und Flaschenzüge bedient.
Unter normalen Bedingungen bedurfte es eines Teams von drei Mann, um die Segel herumzuwerfen, und eines vierten am Ruder, der die Kommandos gab. Das Team Martello/Kinverson/Braun stand unter dem Kommando von Gospo Struvin; die andere Wachmannschaft bestand aus Neyana Golghoz, Dann Henders und Delagard selbst an den Segeln, und Onyos Felk, der Kartograph und Navigator übernahm Struvins Stelle am Ruder. Sundira Thane war Ablösung bei Struvins Wache, Lis Nikiaus bei der von Felk. Lawler hielt sich dann immer abseits und sah zu, während sie unverständliches Zeug brüllten wie »Vierkant brassen!« – »Wind achtern Baum!« - »Hart lee! Hart lee!« Immer aufs neue holten sie die Segel ein, wenn die Windrichtung sich änderte, schwangen sie herum und zogen sie in ihrer neuen Stellung wieder hoch. Und irgendwie - ungeachtet der Tatsache, ob der Wind gegen das Schiff stand oder von achtern kam - gelang es ihnen stets, die gleiche Richtung beizubehalten.
Die einzigen, die sich an diesen Arbeiten nie beteiligten, waren Dag Tharp, Father Quillan, Natim Gharkid und Lawler. Tharp war viel zu leicht und spillerig, als daß er an den Seilen viel hätte ausrichten können; außerdem war er sowieso die meiste Zeit unter Deck und damit beschäftigt, das Kommunikationsnetz zwischen den Schiffen aufrecht zu erhalten. Der Priester galt generell als von sämtlichen Bordarbeiten entbunden; Natim Gharkids Aufgaben beschränkten sich auf die Kombüse und das Schleppnetz für den Frischalgenvorrat. Und Lawler, der zwar gern beim Takeln mit zugegriffen hätte, war zu scheu, um zu bitten, man solle ihm diese Kunst beibringen, und hielt sich zurück; er hoffte auf eine Einladung, mitzuhelfen, aber sie erfolgte nicht.
Während er so an der Reling stand und der Decksmannschaft bei der Arbeit in der Takelung zusah, kam aus der dunklen See etwas emporgeschwirrt und traf ihn im Gesicht. Er fühlte ein heftiges Stechen in der Wange, ein heißes sengendes Gefühl, als peitschten ihm rauhe Schuppen über die Haut. Und um ihn herum breitete sich ein intensiver scharfsaurer Seegeruch aus, der bitter und stechend wurde, als er ihm tiefer in die Nase drang. Zu seinen Füßen hörte er etwas feucht klatschen.
Er sah hinunter. Auf dem Deck zappelte ein geflügeltes Wesen, etwa so lang wie seine Hand, umher. Im ersten Moment des Aufpralls hatte Lawler gedacht, es könnte ein Luftgleiter sein, doch diese waren graziöse, elegante Geschöpfe, regenbogenbunt, schmal und optimal aerodynamisch gestaltet, um möglichst großen Auftrieb zu erreichen; und sie zeigten sich nie nach Einbruch der Dunkelheit. Diese kleine nachtschwirrende Monstrosität dagegen sah mehr wie ein Wurm mit Flügeln aus und war bleich, schlaff und häßlich, hatte kleine schwarze Knopfaugen und auf dem oberen Rückenteil einen zuckenden Kamm kurzer, steifer roter Borsten. Diese Borsten hatten Lawler bei ihrem Zusammenstoß getroffen.
Die runzeligen kantigen Flügel, die aus den Flanken ragten, bewegten sich in unangenehm pulsender Weise immer langsamer. Das Geschöpf ließ hinter sich eine schwärzliche Schleimschicht zurück, während es auf den Decksplanken umherzuckte. So abstoßend es aussah, es wirkte jetzt harmlos, ja mitleiderregend in seinem Todeskampf.
Aber die Häßlichkeit der Kreatur faszinierte Lawler. Er kniete nieder, um sie sich genauer anzusehen. Doch eine Sekunde später war Delagarde aus der Takelung neben ihm und schob die Spitze seines Stiefels unter den Leib des Wurms. Mit einem einzigen geschickten Schwung hob er ihn auf und schleuderte ihn in hohem Bogen über die Reling ins Meer.
»Wozu tust du das?« fragte Lawler.
»Damit das Biest nicht hochspringt und dir deine dumme Nase abbeißt, Doc. Erkennst du ‘ne Meerhexe nicht, wenn du eine siehst? ‘nen Schleimaal?«
»Hexenfisch? Schleimaal?«
»Na ja, noch ein ganz junger. Sie
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