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Über den Wassern

Über den Wassern

Titel: Über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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hatte, und das dabei gewonnene Abbild war grob, verquollen und wolkenhaft undeutlich. Glas von hoher Qualität war auf Hydros eine Seltenheit, wo die einzige Rohstoffquelle für Quarz die Diatomeenbänke, die Kieselalgenablagerungen, auf dem Boden der Bucht waren. Doch Lawler hing an diesem Spiegel, so voller Blasen und so trüb er sein mochte.
    Die heftige Begegnung mit dem Schleimaal schien keinen ernstlichen Schaden angerichtet zu haben. Über dem linken Wangenknochen war eine leichte Abschürfung zu erkennen, eine geringe Schmerzempfindung, wo ein paar der rötlichen Borsten in der Haut abgebrochen waren, weiter nichts. Lawler tupfte die Stelle mit einigen Tropfen von Delagards Beerenkraut-Brandy ab, gegen eine eventuelle Infektion. Sein sechster Sinn als Arzt sagte ihm, er brauche sich weiter keine Sorgen zu machen.
    Seine Taubkrautflasche stand neben der mit dem Brandy. Er betrachtete sie nachdenklich einige Sekunden lang.
    Er hatte seine normale Tagesration bereits genommen, vor dem Frühstück. Er brauchte keine weitere Dosis. Noch nicht.
    Aber, zum Teufel, warum eigentlich nicht, dachte er. Was soll’s!
    SPÄTER ERTAPPTE ER sich dabei, daß er zu den Mannschaftsquartieren wanderte, auf der Suche nach Gesellschaft; er hatte keine Ahnung, wen er suchte.
    Es war bereits wieder Wachablösung. Die zweite Schicht tat jetzt Dienst, der Gemeinschaftsschlafraum steuerbord war leer. Lawler spähte in den anderen Raum und sah dort Kinverson in seiner Koje schlafen. Natim Gharkid saß mit geschlossenen Augen im Schneidersitz da, als befinde er sich in Trance oder irgendeiner Meditation. Und Leo Martello kauerte über einer niedrigen Holztruhe und kritzelte im dünnen Lampenschein eifrig in ausgebreiteten Papieren herum. Wahrscheinlich, dachte Lawler, arbeitet er an seinem unendlichen Epos.
    Martello war um die dreißig, kräftig, voller Energie; meist schoß er umher, als hätte er Sprungfedern im Hintern. Große braune Augen, ein freimütig-offenes Gesicht. Er ging gern mit kahlgeschorenem Kopf. Sein Vater war als Freiwilliger nach Hydros gekommen, ein Selbstexilierter, ein Landekapselmann. Er war auf Sorve aufgetaucht, als Lawler noch ein Junge war, und hatte Jinna Sawtelle, die ältere Schwester von Damis, geheiratet. Beide waren jetzt schon tot, hinweggerissen von der WOGE, als sie in einem kleinen Boot zu unguter Zeit draußen waren.
    So etwa ab seinem vierzehnten Lebensjahr hatte Martello auf der Delagard-Werft gearbeitet; aber sein Hauptanspruch, etwas Besonderes zu sein, basierte auf dem gewaltigen Gedicht, das zu schreiben er behauptete: eine gewaltige Nacherzählung der grandiosen Auswanderung von der dem Untergang geweihten ERDE zu den Neuen Welten der Galaxis. Seit Jahren arbeitete er daran (behauptete er). Niemand hatte mehr als ein paar Zeilen davon gesehen.
    Lawler blieb im Türluk stehen, da er nicht stören wollte.
    »Ah, Doktor«, sagte Martello. »Sie kommen mir gerade recht. Ich brauche was gegen Sonnenbrand. Ich hab es heute wahrhaftig arg übertrieben.«
    »Na, dann wollen wir uns das mal ansehen.«
    Martello ließ das Hemd von den Schultern gleiten. Trotz seiner dunklen Bräunung sah man die Rötung unter den Epidermalschichten. Die Sonne von Hydros war stärker als jene, in deren Strahlen die Evolution der menschlichen Urahnenrasse erfolgt war. Lawler hatte stets alle Hände voll zu tun gehabt, um Hautkrebse, UV-Überbelastungsvergiftungen und alle nur erdenklichen dermatologischen Probleme zu behandeln.
    »Na, es sieht ja nicht allzu bös aus«, beruhigte Lawler den Mann. »Komm morgen früh bei mir vorbei, dann kümmere ich mich darum. Wenn du glaubst, du wirst heut nicht schlafen können, kann ich dir aber auch gleich was geben.«
    »Nein, nein. Es geht schon. Ich schlaf eben auf dem Bauch.«
    Lawler nickte erleichtert. »Was macht das berühmte Epos?«
    »Es geht zäh voran. Ich habe den Fünften Gesang umzuschreiben begonnen.«
    Lawler war nur milde überrascht, als er sich selbst auf einmal sagen hörte: »Darf ich mal reinschauen?«
    Martello war noch mehr überrascht. Dann schob er ihm eines der sich rollenden Algenpapierblätter zu. Lawler hielt es mit beiden Händen offen, um lesen zu können. Martellos Schrift war knabenhaft-linkisch und unelegant, voller gewaltiger Schleifen und Schnörkel.
     
    Nun schossen die Langschiffe hinaus
    Ins dunkle Herz der Finsternis
    Goldwelten, schimmernde, riefen
    und unsere Väter folgten dem Ruf.
    »Und unsere Mütter auch«, bemerkte

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