Ueber Depressionen spricht man nicht
Ich wurde offener und begann wieder etwas mehr Hoffnung für die Zukunft zu schöpfen, obwohl ich für mich noch keinen Plan hatte. Aber das sollte noch kommen.
Die Einzelgespräche mit meinem Bezugstherapeuten gestalteten sich mittlerweile auch als überaus hilfreich. Ich war wohl an einen sehr guten Therapeuten geraten. Andere Mitpatienten hatten nicht so ein Glück. Das stellte sich immer mehr heraus, wenn wir nachmittags oder in den Zwischenräumen der Therapien etwas Zeit fanden, uns untereinander auszutauschen. Man lernte sich außerhalb der Therapien bzw. des Klinikgeländes besser kennen. Es entwickelten sich Freundschaften. Wir unternahmen sehr viel, lachten und weinten zusammen. Natürlich gab es auch Momente, in denen auch mal -wieder ein seelisches Tief kam und man zu zerbrechen drohte. So eine schwere Krankheit ließ sich nicht von heute auf morgen heilen.
Aber im Wesentlichen waren die Gespräche und Erfahrungsaustausche für jeden Patienten sehr von Vorteil. Man war ja nicht gezwungen, mit jedem über seine Probleme zu reden. Das kam dann einfach von allein. Man musste für sich selbst die Entscheidung treffen, wem man etwas anvertraute und wem nicht. Aber letztendlich war es gut zu wissen, dass man nicht allein auf dieser Welt mit solchen Problemen war. Und wenn man sich das jeden Tag vor Augen hielt, ging es einem schon ein großes Stück besser.
Nun hieß es allerdings auch, den Weg in eine neue Zukunft ohne Ängste, Panikattacken und Schlafstörungen zu finden. Mein Therapeut hielt uns ständig vor Augen, dass die Medikamente nur eine Art Unterstützung und nicht für die Dauer gedacht waren. Also brach ich die Einnahme abrupt ab. Ich war es mittlerweile auch leid, ständig auf die Tabletten angewiesen zu sein.
Ohne das Wissen meiner behandelnden Ärztin (die sich eh noch im Urlaub befand) bzw. meines Therapeuten beschloss ich, meine neue Zukunft ohne diese „Unterstützung“ zu beginnen.
Dass das ein falscher Weg war, sollte sich alsbald he-rausstellen.
Ich wurde immer unleidiger, fiel wieder in ein tiefes Loch, hatte erneut Schlafstörungen und Panikattacken. Also das volle Programm an Entzugserscheinungen.
So etwas kannte man nur von Alkoholikern und Drogenabhängigen. Aber als es mir so ging, war ich wieder genau da, wo ich angefangen hatte. Ich wurde von Weinkrämpfen geschüttelt. Wollte die Reha abbrechen, weil ich einfach keinen Ausweg fand. Doch die größte Panik, die ich hatte, war die, dass ich anfing, mir selbst wehzutun.
Denn vorbelastet war ich ja schon durch meine Hautkrankheit. Ein gesunder Mensch konnte sich einfach nicht vorstellen, dass Juckreiz weh tun konnte. Nämlich dann, wenn man nicht kratzen durfte. Und so überlegte ich mir, ob es für mich angenehmer wäre, lieber Schmerzen zu ertragen, als den Entzug durchzuziehen. Aber wie sollte ich dann aussehen?! Dann wäre es rausgekommen, dass es mir schlecht ging, und die hätten mich wahrscheinlich in die Psychiatrie gesteckt. Wie lange ich dort zugebracht hätte, wage ich nicht, mir auszumalen. Ich war doch nicht schizophren. Also sagte ich mir: „Augen zu und durch. Du schaffst das!“
Aber in solch einer ausweglosen Situation kamen einem die absurdesten Gedanken.
Natürlich sagte ich zu niemandem ein Wort. Es ging mir schlecht und schlechter, ich zog mich zurück. Nach ca. 10 Tagen wurde es besser. Ich war stolz auf mich, dass ich es geschafft hatte, von den Medikamenten ohne fremde Hilfe runter zu kommen. Etwas später sprach ich dann auch mit Mitpatienten über diese schwere Zeit. Nun konnten auch die sich erklären, warum ich nicht mehr an ihrem Leben teilhaben hatte wollen.
Aber so schnell lass ich mich nicht unterkriegen. Ich schmiedete Pläne für die Zeit, wenn ich wieder zu Hause sein würde.
Alles in allem muss ich heute sagen, dass diese Reha für mich das Beste war, was mir passieren konnte. Das Wort „Psychosomatik“ lernte ich erst dort richtig zu definieren. Nicht jeder, der Ängste, Panikattacken, Schlafstörungen und Depressionen hat, ist gleich verrückt. Es wird von der Gesellschaft nur so vorgegeben.
Das Schlimme an dieser Krankheit ist, dass man sehr zerbrechlich wird.
Ohne dass irgendjemand davon weiß, geht man einen ganz steilen Weg nach unten.
Und wenn es Leute gibt, die einem nicht gut gesonnen sind, dann nutzen sie die Zerbrechlichkeit und Schwäche schamlos aus, um den Kranken noch weiter runterzuziehen und immer kleiner zu machen. Dies ist im Beruf ganz gravierend. Chefs
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