Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ueber Depressionen spricht man nicht

Titel: Ueber Depressionen spricht man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelin Fortte
Vom Netzwerk:
Also zog ich mich zurück, ging nicht mehr allein auf die Straße, pflegte keine freundschaftlichen Kontakte mehr. Von Gaststätten- bzw. Restaurantbesuchen ganz zu schweigen. Das öffentliche Leben ging an mir vorüber.
    Ein ganz entscheidender Grund, wieder gesund zu werden, war, dass ich in der Zwischenzeit Oma geworden war und eine große Verantwortung dem kleinen Wesen gegenüber hatte. Sie war mein Lebensinhalt geworden. Und allein dafür lohnte es sich zu kämpfen, wieder gesund zu werden. Sie hatte von der ersten Minute ihres Daseins Licht und Wärme in meine zerbrochene Seele gebracht. Ich war bei der Geburt mit dabei gewesen und hatte die Nabelschnur durchgeschnitten. So ein Erlebnis verband natürlich. Das Band der Verbundenheit zwischen meiner Tochter, ihrer kleinen Tochter und mir wurde dadurch noch enger gebunden. Die Familie rückte noch enger zusammen. So etwas ließ man doch nicht im Stich.
    Dann bekam ich Panikattacken. Vor jedem Wochenende graute mir vor dem Einkauf. Überall, wo viele Menschen waren, wurde ich kaltschweißig, unruhig und gereizt. Ich wollte nur noch raus. An Weihnachtsmärkte oder Stadtfeste war überhaupt nicht zu denken.
    So konnte es nicht weitergehen. Hier muss jetzt etwas geschehen, bevor ich vollends vor die Hunde ging.
     
    Diese Gedanken kamen mir jetzt immer öfter:
    „Was ist, wenn Du nicht mehr da bist? Wer wird Dich vermissen, außer natürlich Deine Familie? Wie wird es nach mir sein? Muss ich vielleicht noch mehr leiden, als ich es jetzt schon tue, wenn etwas schiefgeht?“
    Es war ein Teufelskreis, aus dem ich allein nicht mehr heraus kam. Ich brauchte Hilfe.
    Dann vertraute ich mich meiner Hausärztin an, die mich und meine Familie schon sehr lange kannte und betreute. Und die auch wusste, wo ich die vielen Jahre arbeitete. Das erste Mal hatte ich das Gefühl, allein und von mir aus mit jemandem reden zu dürfen, der mich verstand. Ich war sehr lange in ihrem Behandlungszimmer. Sie ließ mich reden und reden. Dann auf einmal fing ich wieder an zu weinen. Ich erzählte ihr von diesem Chef, den sie leider auch gut kannte und von dem sie auch keine gute Meinung hatte. Also war das auch alles keine Einbildung von mir. Andere Leute sahen das auch so. Ich war erleichtert. Sie wusste sofort, was mir fehlte, und drückte mir ein Buch über Depressionen in die Hand, welches zuerst ich und dann meine Familie lesen sollte. Nur dann erst würde jeder verstehen, mit dieser Krankheit und mir umzugehen. Natürlich wurde ich wieder krank geschrieben.
    Sie gab mir die Adresse von einem Psychiater. An diesen sollte ich mich wenden. Er würde sich mir und meiner Krankheit annehmen und mir helfen. Am Anfang war ich doch etwas verwirrt. Was sollte ich bei einem Psychiater? Ich war doch nicht verrückt. Also ging ich mit gemischten Gefühlen zu ihm.
    Es war ein sehr netter junger Arzt. Ihm erzählte ich dann auch noch mal ganz von vorn meinen Leidensweg. Ich brach immer wieder in Tränen aus, was mir mittlerweile schon nicht mehr peinlich war. Schließlich hatte ich schon so viele Tränen vergossen, dass ich manchmal dachte, ich wäre leer. Ich schilderte ihm die Symptome, von Anfang an. Vom Beginn meiner Psoriasis bis hin zu den Weinkrämpfen, Panikattacken und Angstneurosen.
    Allerdings war da ein Wermutstropfen: die Medikation. Ich bekam Psychopharmaka, von Stimmungsaufhellern bis hin zu Schlaftabletten.
     
    Es waren zwar keine richtigen Schlaftabletten die abhängig machten, aber sie sollten den ruhigen Schlaf etwas unterstützen. Am Anfang dachte ich, es wären Placebos. Nichts schlug an. Weder wurde die Stimmung besser, noch kam ich in den Schlaf. Obwohl ich tagsüber todmüde war, an Schlaf war nicht zu denken. Nicht einmal mittags konnte ich Ruhe finden. Zu viel schwirrte mir im Kopf herum.
    Dazu kam dann auch wieder eine neue Angst. Ich war wieder einmal krank geschrieben und wusste nicht, wie lange. Denn die vorherigen Krankschreibungen waren immer über Wochen und bis mehrere Monate gelaufen. Aber was konnte ich dafür?!
    Wer hatte mich denn krank gemacht? Diese Frage -stellte sich öfter.
    Also war die neue Angst die Existenzangst. Wie lange würde der Chef das noch mitmachen. Es war mittlerweile November. Und gerade dieser Monat, der es so in sich hatte wie kein anderer Monat im Jahr. Meine Stimmung fiel ins Bodenlose. Es klingelte an der Wohnungstür, ich ließ niemanden zu mir. Wollte keinen sehen und reden schon gar nicht.
    Die Tabletten schlugen nicht an. Also ging

Weitere Kostenlose Bücher