Ueber Deutschland
Gevatter, kommt.
Clärchen. Und ich habe nicht Arme, nicht Mark wie ihr; doch hab' ich, was euch allen fehlt, Muth und Verachtung der Gefahr. Könnt' euch mein Athem doch entzünden! könnt' ich an meinen Busen drückend euch erwärmen und beleben! Kommt! In eurer Mitte will ich gehen! – Wie eine Fahne wehrlos ein edles Heer von Kriegern wehend anführt, so soll mein Geist um eure Häupter flammen, und Liebe und Muth das schwankende zerstreute Volk zu einem fürchterlichen Heer vereinigen.
Jetter. Schaff sie bei Seite, sie dauert mich.
(Bürger ab.)
Brackenburg. Clärchen! siehst du nicht, wo wir sind?
Clärchen. Wo? Unter dem Himmel, der so oft sich herrlicher zu wölben schien, wenn der Edle unter ihm herging. Aus diesen Fenstern haben sie herausgesehn, vier, fünf Köpfe über einander; an diesen Thüren haben sie gescharrt und genickt, wenn er auf die Memmen herabsah. O ich hatte sie so lieb, wie sie ihn ehrten! Wäre er Tyrann gewesen, möchten sie immer vor seinem Falle seitwärts gehn. Aber sie liebten ihn! – O ihr Hände, die ihr an die Mützen griff't, zum Schwert könnt ihr nicht greifen – Brackenburg, und wir? – Schelten wir sie? – Diese Arme, die ihn so oft fest hielten, was thun sie für ihn? – List hat in der Welt so viel erreicht – Du kennst Wege und Stege, kennst das alte Schloß. Es ist nichts unmöglich, gieb mir einen Anschlag.
Brackenburg führt sie endlich zurück nach Hause, und geht wieder weg, um Kundschaft vom Grafen einzuziehen. Er kommt zurück, und Clärchen, die den letzten Entschluß gefaßt hat, verlangt von ihm die umständliche Erzählung.
Clärchen. Ist's wahr? Ist er verurtheilt?
Brackenburg. Er ist's! ich weiß es ganz genau.
Clärchen . Und lebt noch?
Brackenburg. Ja, er lebt noch.
Clärchen. Wie willst du das versichern? – Die Tyrannei ermordet in der Nacht den Herrlichen! vor allen Augen verborgen fließt sein Blut. Aengstlich im Schlafe liegt das betäubte Volk, und träumt von Rettung, träumt ihres ohnmächtigen Wunsches Erfüllung; indeß unwillig über uns sein Geist die Welt verläßt. Er ist dahin! – Täusche mich nicht! dich nicht!
Brackenburg. Nein gewiß, er lebt! – Und leider es bereitet der Spanier dem Volke, das er zertreten will, ein fürchterliches Schauspiel; gewaltsam jedes Herz, das nach Freiheit sich regt, auf ewig zu zerknirschen.
Clärchen. Fahre fort und sprich gelassen auch mein Todesurtheil aus! Ich wandle den seligen Gefilden schon näher und näher, mir weht der Trost aus jenen Gegenden des Friedens schon herüber. Sag' an.
Brackenburg. Ich konnt' es an den Wachen merken, aus Reden, die bald da bald dort fielen, daß auf dem Markte geheimnißvoll ein Schrecknis zubereitet werde. Ich schlich durch Seitenwege, durch bekannte Gänge nach meines Vetters Hause, und sah' aus einem Hinterfenster nach dem Markte. – Es wehten Fackeln in einem weiten Kreise Spanischer Soldaten hin und wieder. Ich schärfte mein ungewohntes Auge, und aus der Nacht stieg mir ein schwarzes Gerüst entgegen, geräumig, hoch; mir grauste vor dem Anblick. Geschäftig waren viele rings umher bemüht, was noch von Holz weiß und sichtbar war, mit schwarzem Tuch einhüllend zu verkleiden. Die Treppen deckten sie zuletzt auch schwarz, ich sah es wohl. Sie schienen die Weihe eines gräßlichen Opfers vorbereitend zu begehn. Ein weißes Crucifix, das durch die Nacht wie Silber blinkte, ward an der einen Seite hoch aufgesteckt. Ich sah, und sah die schreckliche Gewißheit immer gewisser. Noch wankten Fackeln hie und da herum; allmählig wichen sie und erloschen. Auf einmal war die scheußliche Geburt der Nacht in ihrer Mutter Schoos zurückgekehrt.» –
Der Sohn des Herzogs Alba entdeckt, daß man sich seiner bedient hat, Egmont zu verderben; er will ihn für jeden Preis retten; Egmont bittet ihn nur um einen Dienst, Clärchen zu schützen, wenn er todt seyn wird; allein man erfährt, daß sie sich den Tod gab, ihren Geliebten nicht zu überleben. Egmont stirbt, und der bittre Groll Ferdinands gegen seinen Vater ist die Strafe des Herzogs Alba, der, wie man versichert, nichts auf Erden geliebt hatte, als diesen Sohn.
Mich dünkt, mit einigen Veränderungen, ließe sich dieser Stoff und dieser Plan auf die französische Bühne bringen. Ich habe einige Scenen mit Stillschweigen übergangen, die wir nicht beibehalten dürften. Zu allererst die Eingangsscene; einige Soldaten Egmonts, einige Bürger von Brüssel unterhalten sich von seinen Großthaten; in
Weitere Kostenlose Bücher