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Ueber Deutschland

Titel: Ueber Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Germaine de Staël
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gefährlichen Geistesgaben nehmen für sein Schicksal ein; man fühlt für ihn Besorgnisse, die in seiner unerschrockenen Seele nie aufsteigen konnten; das Ganze seines Characters ist mit vieler Kunst durch die Eindrücke gezeichnet, die die Gefahren, worin er, ihrer unbewußt, schwebt, auf seine Umgebungen machen. Es ist nicht schwer, von dem Helden eines Stücks ein geistreiches Gemälde zu entwerfen; weit schwerer und talentvoller ists, ihn dieser Schilderung gemäß sprechen und handeln zu lassen; am schwersten, ihn durch die Bewunderung, die er den Soldaten, dem Volk, den Großen, kurz allen, die ihn umgeben, und mit ihm in Verbindung stehen, einflößt.
    Der Graf Egmont liebt ein junges Mädchen vom Bürgerstande, Namens Clärchen, und besucht sie in ihrer niedrigen Wohnung. Diese Liebe nimmt mehr Raum im Herzen des Mädchens ein, als in dem des Grafen; Clara's ganze Einbildungskraft ist von dem Glanze ihres Egmont, von der blendenden Täuschung seines Heldenmuths und seines strahlenden Rufes überwältigt. Egmont zeigt in seiner Liebe viel Güte und Freundlichkeit; er ruht bei dem jungen Mädchen von den Geschäften und Besorgnissen aus. «Jener Egmont (sagt er) ist ein verdrießlicher, steifer, kalter Egmont, der an sich halten, bald dieses, bald jenes Gesicht machen muß; geplagt, verkannt, verwickelt ist, wenn ihn die Leute für froh und fröhlich halten; – o laß mich schweigen, wie es dem ergeht, wie es dem zu Muthe ist. Aber dieser Egmont, Clärchen, der ist ruhig, offen, glücklich, geliebt und gekannt von dem besten Herzen, das auch er ganz kennt, und mit voller Liebe und Zutrauen an das seine drückt – das ist dein Egmont.» Egmonts Liebe zu Clara wäre allein nicht hinreichend, dem Stücke Gewicht und Interesse zu geben; sobald sich aber mit dieser Liebe das Unglück verbindet, erhält jenes Gefühl, das anfangs nur im Hintergrund stand, eine bewundernswürdige Kraft.
    Man erfährt die Ankunft der Spanier, und des Herzogs von Alba an ihrer Spitze; das ernste fremde Volk, die Furcht der leichten fröhlichen Einwohner von Brüssel sind von einer Meisterhand gezeichnet. Bei der Annäherung eines schweren Gewitters ziehen sich die Menschen in ihre Wohnungen zurück, die Thiere zittern, die Vögel fliegen der Erde näher und scheinen Schutz zu suchen, die ganze Natur bereitet sich auf den furchtbaren Auftritt, der sie bedroht; eben so bemächtigt sich Angst und Entsetzen der unglücklichen Bewohner von Brabant. Der Herzog von Alba will den Grafen Egmont nicht mitten in Brüssel festnehmen lassen; er fürchtet einen Volksauflauf; er möchte lieber sein Schlachtopfer in seinen Pallast locken, der die Stadt beherrscht, und mit der Citadelle zusammenhängt. Er bedient sich Ferdinands, seines jungen Sohnes, um des arglosen Feindes Herr zu werden. Ferdinand muß ihn dem Tyrannen zuführen. Ferdinand ist ein aufrichtiger Bewunderer des Helden von Brabant; er ahnet nichts von den blutdürstigen Planen seines Vaters, und zeigt für den Grafen einen Enthusiasmus, der den biedern Ritter sicher und glauben macht, vom Vater eines solchen Sohnes habe er nichts zu befürchten. Egmont entschließt sich, zu Alba zu gehen; der verrätherische, treue Stellvertreter Philipps II. erwartet ihn mit einer Ungeduld, die den Zuschauer schaudern macht; stellt sich ans Fenster, sieht ihn von weitem auf einem stolzen Pferde, das er in einer siegreichen Schlacht erbeutete, daher reiten. Bei jedem Schritte, mit dem er sich dem Pallast nähert, fühlt der Herzog den Triumph der Schadenfreude; bei jedem Aufhalt schlägt ihm das elende Herz für Angst ob dem Erfolge, und als Egmont in den Vorhof reitet, ruft er höllisch froh aus: «So bist du mit dem einen Fuß im Grabe! und so mit beiden!!» –
    Egmont wird bei ihm eingeführt. Alba unterhält sich lange mit ihm über die Regierungsart der Niederlande, und über die Nothwendigkeit, Strenge zu gebrauchen, um die neuen Meinungen im Zaum zu halten. Er hat kein Interesse mehr dabei, Egmont zu betrügen; dennoch gefällt er sich noch immer in seiner List, und will den Erfolg langsam und tropfenweise voraus kosten; endlich empört er mit Bedacht Egmonts biedres Gemüth, reizt ihn durch Widerspruch und Streit, um ihm einige heftige, beleidigende Worte zu entlocken. Er will sich das Ansehen geben, aufgefordert zu seyn, und das, was er so lange im Voraus angelegt, im Augenblick der ersten Aufwallung gethan zu haben. Warum so viel Behutsamkeit und Vorsicht gegen den Mann, der in seiner

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