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Ueber Deutschland

Titel: Ueber Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Germaine de Staël
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fernen Horizont selbst dann umlagert, wenn der Himmel mit Sternen besäet ist; alles scheint das Bild eines unbekannten Raums, einer nächtlichen Welt zu erwecken, die unsern Erdball umgürtet. Eine so kalte Luft, daß sie den Hauch zu Eis härtet, treibt die Wärme in die Seele zurück, und die Natur scheint in diesem Clima nur dazu gemacht, den Menschen in sich zu bannen. Die Helden haben in den Dichtungen der nordischen Poesie etwas riesenhaftes. In ihrem Charakter verbindet sich der Aberglaube mit der Kraft, während er, in allen andern Gegenden, das Erbtheil der Schwäche ist. Bilder, ihrer strengen Natur entnommen, bezeichnen die Poesie der Scandinavier; bei ihnen heißen die Geyer die Wölfe der Luft; die siedenden Seen, aus feuerspeienden Bergen entstanden, bergen im Winter die Vögel, die sich in die umgebende warme Atmosphäre retten: alles trägt in diesen neblichten Strichen den Stempel der Größe und der Traurigkeit.
    Die Scandinavischen Völker hatten eine Art von physischer Thatkraft, die der kalten Ueberlegung keinen Raum gestattete, und den Willen vor sich hin stieß, wie einen Felsen, der von Gebirgen herabrollt. Deutschlands eiserne Männer reichen nicht hin, uns von jenen Erdbewohnern der Welt einen deutlichen Begriff zu machen; sie vereinigen die Reizbarkeit des Zorns mit der ausharrenden Kälte des Entschlusses. Die Natur selbst hat sie gewürdigt, ein poetisches Bild von ihnen aufzustellen; sie hat in Island den Vulkan aufgethürmt, der, mit ewigem Schnee bedeckt, Feuerströme ausspeit.
    Oehlenschläger hat sich eine neue Bahn gebrochen. Er hat die Heldensagen seines Vaterlands zum Inhalt seiner Stücke gewählt. Wird dieses Beispiel befolgt, so kann die Literatur des Norden einst eben so berühmt werden als Teutschland.
    Ich schließe hier den Ueberblick, den ich von den teutschen Theaterstücken geben wollte, die sich der tragischen Gattung nähern. Es ist keinesweges meine Absicht, die Fehler und Schönheiten dieser Stücke zu untersuchen. Es giebt so viel Verschiedenheit in den Talenten und Systemen der teutschen dramatischen Dichter, daß ein gleichförmiges Urtheil nicht auf alle anwendbar seyn würde. Uebrigens liegt das größte Lob, das man ihnen ertheilen kann, eben in dieser Verschiedenheit; denn im Gebiete der Literatur, wie in so vielen anderen, ist Einstimmigkeit fast immer ein Zeichen der Knechtschaft.
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Sechs und zwanzigstes Capitel. Das Lustspiel.
    Das Ideal des tragischen Charakters besteht, (nach A. W. Schlegels System), in dem Siege des Willens über das Schicksal oder die Leidenschaften. Der komische Charakter hingegen bezeichnet die Herrschaft des physischen Instinkts, der Sinnlichkeit, über die moralische Existenz; daher kommt es, daß Völlerei und Feigheit zu einem unversiegbaren Quell des Spotts gemacht werden.
    Liebe zum Leben scheint dem Menschen das Lächerlichste und Gemeinste, und ein edles Attribut der Seele ist das Lachen, das die sterbliche Creatur ergreift, wenn man ihr das Beispiel einer ihres gleichen aufstellt, die dem Tode kleinmüthig entgegensieht.
    Tritt man aber aus dem etwas gemeinen Kreise dieser allgemeinen Spöttereien heraus, stößt man auf die Lächerlichkeiten der Eigenliebe, so findet man sie, mit den Gewohnheiten und dem Geschmack in verschiedenen Nationen, unendlich vermannigfaltigt.
    Die Lustigkeit ist entweder eine Folge der Natureingebung, oder der gesellschaftlichen Verhältnisse; im ersten Fall entwickelt sie sich in dem Menschen überhaupt, ohne Unterschied der Nation; im zweiten ist sie verschieden, wie die Zeiten, die Länder, die Sitten; denn da die Anstrengungen der Eitelkeit beständig zum Zweck haben, Eindruck auf Andre zu machen, so muß man wissen, was in einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Orte den meisten Eingang finden wird, um seine Forderungen an die Menschen nach diesem Ziele einzurichten; ja es giebt sogar Länder, wo die Mode lächerlich macht, sie, die es zur Absicht zu haben scheint, Jeden dem Spotte dadurch zu entziehen, indem sie Allen eine Art von Einförmigkeit zu geben sich bestrebt.
    In den deutschen Lustspielen fällt das Gemälde der großen Welt gewöhnlich mager aus; es fehlt an guten Mustern, die man copiren könnte; die Gesellschaft hat für die ausgezeichneten Männer nichts Anlockendes; sie würden den größten Reiz derselben, die belustigende Kunst leicht über einander zu spotten, nicht glücklich zu behandeln wissen; ehe man es sich versähe, würde eine, im

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