Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ueber Deutschland

Titel: Ueber Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Germaine de Staël
Vom Netzwerk:
Trotz bieten wollen; die Kunst würde darunter leiden, wie viel mehr das Zartgefühl! die leiseste Berührung von Bitterkeit verwischt die lebhaften Farben der Poesie, die sie mit ungebundener Lustigkeit über komische Gegenstände verbreitet.
    In den Lustspielen eigener Erfindung zeigt Kotzebue eben das Talent, was seine Dramen bezeichnet, nehmlich viel Theaterkenntniß, und viel Phantasie, treffende Situationen auszusinnen. Seit einiger Zeit hat man den Grundsatz aufgestellt: Lachen und Weinen wären kein Beweis, daß ein Lust- oder Trauerspiel gut sey. Ich bin dieser Meinung nicht. Das Bedürfniß starker Gemüthsbewegungen ist in den schönen Künsten die Quelle des größten Vergnügens. Daraus folgt aber nicht, daß man die Tragödien in Melodramen, die Lustspiele in Possen umwandeln müsse; das wahre Talent besteht darin, so zu dichten und zu schreiben, daß dasselbe Stück, derselbe Auftritt, der selbst das große Publikum zu weinen oder zu lachen macht, dem Denker eine unerschöpfliche Quelle von Betrachtungen eröffne.
    Die eigentliche Parodie findet auf deutschen Bühnen wenig Eingang; sie eignet sich nicht für Tragödien, in welchen sich ohnehin immer so viel Personen der untern Klassen befinden. Bloß die pomphafte Würde des französischen Theaters kann den Contrast der Parodie stechend und unterhaltend machen. Im Shakespear, bisweilen auch in deutschen Schriftstellern, findet man eine dreiste und seltsame Manier, selbst in der Tragödie die lächerliche Seite des menschlichen Lebens zu zeigen; und wenn man mit diesem Eindruck die Macht des Pathos in Gegensatz zu stellen weiß, wird die Totalwirkung des Stücks größer. Die französische Bühne ist die einzige, auf welcher die Gränzen der beiden Gattungen, des Komischen und des Tragischen, genau abgesteckt sind; auf allen übrigen bedient sich das Talent, wie das Schicksal, der Lustigkeit, dem Schmerz mehr Schärfe zu geben.
    Ich habe in Weimar die Comödien des Terenz, wörtlich ins Deutsche übersetzt, mit Masken, wie die der Alten, aufführen sehen; diese Masken bedecken das Gesicht nur zum Theil, geben den Zügen des Schauspielers bloß einen Zusatz von Comik oder Regelmäßigkeit, und vor allem den Ausdruck des Charakters, den er darzustellen hat. Die wirklichen Muskeln eines guten Künstlers sind besser als alle Masken; nur der mittelmäßige Schauspieler gewinnt dabei. Bei den Deutschen, ob sie schon bemüht sind, alte sowohl als neue Erfindungen bei sich einheimisch zu machen, ist im Grunde nichts wahrhaft national, als die Volksposse, und die Gattung von Stücken, wo das Wunderbare dem Lustigen zum Grunde liegt.
    Man kann bei dieser Gelegenheit eine Oper als Beispiel anführen, die auf allen Bühnen Deutschlands fleißig gespielt wird: die Donaunymphe. Ein Ritter gewinnt die Liebe einer Fee; sie werden durch allerlei Umstände getrennt; der Ritter vermählt sich späterhin; seine Gattin ist ein seelengutes Geschöpf, aber ohne Einbildungskraft und Geist; dem Ritter ist dieses ganz recht; es scheint ihm um so natürlicher, da es gewöhnlich ist, denn nur wenig Menschen begreifen, daß das Ungewöhnliche, das Hohe im Geist und Gemüth, uns der Natur näher bringt. Die Fee kann ihren Ritter nicht vergessen; sie verfolgt ihn mit allen Wundern ihrer Künste; so oft er sich in seiner häuslichen Lage sicher und ruhig glaubt, weckt sie seine Aufmerksamkeit durch Zaubereien, und erinnert ihn an seine erste Liebe.
    Nähert sich der Ritter einem Flusse, so hört er aus den Wellen Romanzen ertönen, wie die Fee sie ihm gesungen; ladet er Gäste zu Tische, sogleich erscheinen geflügelte Genien, und jagen der prosaischen Gesellschaft seiner Gattin keine kleine Furcht ein.
    Allenthalben wird die Existenz des ungetreuen Ritters von Blumen, Tänzen und Concerten, lauter Luftgebilden, gestört, während neckende Geister Vergnügen daran finden, seinen Diener zu quälen, der seinerseits auch gern das poetische Leben mit dem prosaischen vertauschen möchte. Zuletzt söhnt sich die Fee mit dem Ritter unter der Bedingung aus, daß dieser jährlich drei Tage bei ihr zubringen wird, und seine Ehegattin giebt sehr gern ihre Einwilligung, daß ihr Gemahl in dem Umgang mit der Fee den Enthusiasmus schöpfe, durch den wir, was wir lieben, besser lieben lernen. Der Stoff der Donaunymphe scheint eher eine geistreiche Dichtung als eine Volkslegende zu seyn; gleichwohl ist das Wunderbare so kunstvoll und abwechselnd hineingewebt, daß das Stück alle Gattungen von

Weitere Kostenlose Bücher