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Ueber Deutschland

Titel: Ueber Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Germaine de Staël
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zurückkehrt; im Mädchen, im Prinzen von Oranien, im Verfasser selbst, daß man zuletzt nur Amen zu allem zu sagen braucht. Die Situationen des Stücks sind aus einem französischen Drama entlehnt; nur sind in diesem Drama die Personen erdichtet und unbedeutend; weder Grotius, noch der Prinz von Oranien erscheinen unter ihrem Namen; und das mit Recht, denn im deutschen Stück liegt nichts, was in den Charakter dieser beiden geschichtlichen Personen einschlüge.
    Johanna von Montfaucon ist eine Rittergeschichte von Kotzebue's eigner Erfindung. Er hat seinen Stoff behandeln und ausmalen können, wie ihm beliebt hat. Eine reizende Schauspielerin, Madame Unzelmann, gab die Johanna; die Art, wie sie ihr Herz und ihr Schloß gegen einen unritterlichen Krieger vertheidigte, gefiel ungemein auf der Bühne. Abwechselnd kriegerisch und in Verzweiflung; bald von ihrem Helm, bald durch das flatternde Haupthaar verschönert, war sie immer reizend und interessant. Doch dergleichen Situationen sind mehr für die Pantomime als für die Rede geeignet; die Worte dienen den Bewegungen zur musikalischen Begleitung. 
    Rolla's Tod ist von höherm Werth. Der berühmte Sheridan hat seinen Pizarro darnach gebildet, der in England so viel Glück gemacht. Ein Wort am Ende des Stücks ist von wunderbarer Wirkung. Rolla, das Haupt der Peruvianer, hat den Spaniern den Sieg lange streitig gemacht; er liebte Cora, die Sonnenjungfrau, opferte ihr aber seine Liebe auf, weil sie ihm Alonzo vorzieht, und räumte alle Hindernisse auf die Seite, die ihrer Verbindung mit diesem Spanier im Wege standen. Ein Jahr nach dieser Verbindung rauben die Spanier das nur wenig Wochen alte Kind der Cora. Rolla eilt durch tausend Gefahren, findet das Kind, bringt es mit Blut bedeckt in der Wiege zurück, bemerkt das Entsetzen der Mutter beim Anblick des Bluts, hat kaum die Kraft, die Worte auszustoßen: «Zittre nicht, es ist mein Blut!» und stirbt.
    Mehrere deutsche Schriftsteller und Kunstrichter, haben, dünkt mich, Kotzebue's dramatischen Talenten nicht volle Gerechtigkeit widerfahren lassen; ihre Gründe dazu sind aber achtbar; Kotzebue hat nicht immer in seinen Stücken gegen die strenge Tugend, gegen die positive Religion die gehörige Ehrfurcht gezeigt; nicht aus System, wie mir scheint, sondern um durch seine Paradoxien mehr Wirkung auf der Bühne hervorzubringen. Dadurch hat er sich allerdings den Tadel der strengen Kunstrichter mit Recht zugezogen. Er scheint seit einigen Jahren festere Grundsätze angenommen zu haben; und, was noch mehr sagen will, sein Talent gewinnt dabei. Die Höhe und Festigkeit in den Gedanken hängt immer durch geheime Bande mit der Reinheit der Moral zusammen.
    Kotzebue und die meisten deutschen Dramatiker hatten Lessingen die Meinung abgeborgt, man müsse in ungebundener Rede für das Theater schreiben und die Tragödie dem Drama so nahe rücken als möglich. Göthe und Schiller in ihren letzten Werken und die Schriftsteller der neuern Schule, haben diesen Grundsatz umgestoßen. Man konnte vielleicht einigen unter ihnen einen entgegengesetzten Fehler zum Vorwurf machen; sie haben sich einer exaltirten Sprache bedient, vermöge welcher die Einbildungskraft von der theatralischen Wirkung abgezogen wird. In den dramatischen Dichtern, die wie Kotzebue Lessings Grundsätze befolgt haben, finden wir fast immer schöne Einfalt und lebhaftes Interesse. Agnes Bernauerin, Julius von Tarent, Diego und Leonore haben bei der Aufführung beständig Beifall gefunden und diesen Beifall verdient. Sie stehen in Friedels Sammlung der Uebersetzungen aus dem Teutschen; daher erwähne ich sie nicht weiter. Diego und Leonore würde, mit einigen Abänderungen, auf der französischen Bühne gefallen; nur müßte man das rührende Gemälde jener tiefen trübsinnigen Liebe beibehalten, die das Unglück ahnet, noch ehe es durch Vorboten des Unglücks angekündigt wird; die Schottländer nennen diese Ahnungen des Herzens den zweiten Blick des Menschen; sie haben Unrecht, sie den zweiten zu nennen; sie sind der erste, und vielleicht der einzig wahre Blick seines innern Sinnes.
    Unter den prosaischen Tragödien, die sich im Teutschen über die Gattung des Drama erheben, muß man einige Versuche des Herrn von Gerstenberg rechnen. Er hat unter andern Ugolino als Trauerspiel bearbeitet; die Einheit des Orts ist hier gezwungen beobachtet, denn das Stück fängt an und hört auf in dem Thurme wo Ugolino, eingemauert, mit seinen drei Söhnen Hungers stirbt; mit der

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