Ueber Deutschland
himmlischen Einfalt des Evangeliums einen dichterischen Zauber zu entwickeln, der dessen Reinheit keinen Eintrag thut.
Es ist einem, wenn man dies Gedicht [185] anfängt, zu Muthe, wie wenn man in eine große Kirche tritt, aus deren Mitte eine Orgel tönt, und die Rührung und Sammlung des Gemüths, welchen die Tempel des Herrn einflößen, bemeistern sich der Seele, wenn man den Messias liest.
Klopstock hatte, seit seiner Jugend, dies Gedicht zu seines Lebens Zweck gemacht; die Menschen würden die Schuld gegen das Leben wohl auf eine würdige Weise abtragen, wenn sie ihr flüchtiges Erscheinen auf der Erde durch irgend einen edlen Gegenstand, eine große Idee, bezeichneten; immer ist eine es ehrenvolle Bürgschaft für den Character, die zerstreuten Strahlen seiner Eigenschaften und die Resultate seiner Arbeiten nach Einer Unternehmung hinzurichten. Welch ein Urtbeil man über die Schönheiten und Fehler des Messias fällen möge, es wäre gut, wenn man häufig einige Verse daraus läse; das Ganze durchzulesen, kann ermüdend scheinen, aber man kehrt nicht dazu zurück, ohne eine Art von Seelenbalsam einzuathmen, der für alle himmlische Dinge Reiz in die Seele gießt.
Nach langer Arbeit und einer großen Reihe von Jahren, beendigte Klopstock endlich sein Gedicht. Horaz, Ovid, und andere Dichter haben auf verschiedene Weise den edeln Stolz ausgesprochen, der ihnen für die unsterbliche Dauer ihrer Werke Bürgschaft leistete: Exegi monumentum aere perennius der Eine, Nomenque erit indelebile nostrum der Andere. Ein Gefühl ganz andrer Gattung durchdrang Klopstocks Seele, als er den Messias vollbracht. Er drückt es folgendergestalt aus, in der am Schluß desselben sich befindenden
Ode an den Erlöser.
Ich hofft' es zu dir! und ich habe gesungen,
Versöhner Gottes, des neuen Bundes Gesang!
Durchlaufen bin ich die furchtbare Laufbahn;
Und du hast mir mein Straucheln verziehn.
Beginn den ersten Harfenlaut,
Heißer, geflügelter, ewiger Dank!
Beginn, beginn, mir strömet das Herz!
Und ich weine vor Wonne!
Ich fleh' um keinen Lohn; ich bin schon belohnt,
Durch Engelfreuden, wenn ich dich sang!
Der ganzen Seele Bewegung
Bis hin in die Tiefen ihrer ersten Kraft!
Erschüttrung des Innersten, daß Himmel
Und Erden mir schwanden!
Und flogen die Flüge nicht mehr des Sturms; durch sanftes Gefühl,
Das, wie des Lenztags Frühe, Leben säuselte.
Der kennt nicht meinen ganzen Dank,
Dem es da noch dämmert,
Daß, wenn in ihrer vollen Empfindung
Die Seele sich ergeußt, nur stammeln die Sprache kann.
Belohnt bin ich, belohnt! Ich habe gesehn
Die Thräne des Christen rinnen;
Und darf hinaus in die Zukunft
Nach der himmlischen Thräne blicken!
Durch Menschenfreuden auch. Umsonst verbürg ich vor dir
Mein Herz der Ehrbegierde voll.
Dem Jünglinge schlug es laut empor; dem Manne
Hat es stets, gehaltner nur, geschlagen.
Ist etwa ein Lob, ist etwa eine Tugend,
Dem trachtet nach! Die Flamm' erkor ich zur Leiterin mir!
Hoch weht die heilige Flamme voran, und weiset
Dem Ehrbegierigen besseren Pfad!
Sie war es, sie that's, daß die Menschenfreuden
Mit ihrem Zauber mich nicht einschläferten;
Sie weckte mich oft der Wiederkehr
Zu den Engelfreuden!
Sie weckten mich auch, mit lautem durchdringenden Silberton,
Mit trunkner Erinnrung an die Stunden der Weihe,
Sie selber, sie selber die Engelfreuden,
Mit Harf' und Posaune, mit Donnerruf!
Ich bin an dem Ziel, an dem Ziel! und fühle, wo ich bin,
Es in der ganzen Seele beben!l So wird es (ich rede
Menschlich von göttlichen Dingen) uns einst, ihr Brüder Deß,
Der starb! und erstand! bei der Ankunft im Himmel seyn!
Zu diesem Ziel hinauf hast du,
Mein Herr und mein Gott!
Bei mehr als Einem Grabe mich,
Mit mächtigem Arme, vorübergeführt!
Genesung gabst du mir! gabst Muth und Entschluß
In Gefahren des nahen Todes!
Und sah ich sie etwa die schrecklichen unbekannten,
Die weichen mußten, weil du der Schirmende warst?
Sie flohen davon! und ich habe gesungen,
Versöhner Gottes, des neuen Bundes Gesang!
Durchlaufen bin ich die furchtbare Laufbahn!
Ich hofft' es zu dir!
Diese Vermischung des poetischen Enthusiasmus und des religiösen Vertrauens erfüllt zu gleicher Zeit mit Minderung und Rührung. Sonst weihte sich das dichterische Talent den Gottheiten der Fabel; Klopstock bringt es Gott selber dar, und zeigt den Deutschen durch seine glückliche Verschmelzung der christlichen Religion und Poesie, daß sie schöne Künste zu
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