Ueber Deutschland
Dritten sprechen; nichts aber ist so zart, nichts so schwer zu ergreifen, als der Accent, man lernt tausendmal leichter die verwickelteste Arie, als die Aussprache einer einzigen Sylbe. Nur eine lange Reihe von Jahren, oder die ersten Eindrücke der Kindheit, geben die Fähigkeit eine Aussprache zu erlernen, die mit dem Feinsten und Unerklärlichsten in der Einbildungskraft und im National-Character zusammenhängt.
Die deutschen Dialecte haben ihren Ursprung in einer Muttersprache, aus der sie alle schöpfen. Diese gemeinschaftliche Quelle erneuert und vervielfältigt die Ausdrücke auf eine, dem Genius der Völker stets angemessene, Weise. Die Nationen lateinischen Ursprungs bereichern sich, so zu sagen, nur von außen; sie müssen zu todten Sprachen, zu den versteinerten Reichthümern ihre Zuflucht nehmen, um ihr Reich zu erweitern. Hievon ist die natürliche Folge, daß die Neuerungen in Worten ihnen minder gefallen, als den Nationen, die Sprößlinge aus einem immer lebenden Stamme ziehn. Die französischen Schriftsteller sollten ihren Stil durch jede Kühnheit, die ein natürliches Gefühl ihnen nur eingeben kann, beleben und ihm Farbe verleihn; die Deutschen dagegen gewinnen, wenn sie sich beschränken. Die Zurückhaltung kann ihre Originalität nicht zerstören, sie laufen aber durch das Uebermaaß des Ueberflusses Gefahr, sie einzubüßen.
Die Luft die man einathmet, hat großen Einfluß auf die Töne, die man hervorbringt; Verschiedenheit des Bodens und des Clima's erzeugen in der nämlichen Sprache die verschiedensten Arten der Aussprache. Näher zum Meere hin werden die Worte sanfter, das Clima ist dort gemäßigter; vielleicht auch stimmt das fortwährende Schauspiel dieses Bildes der Unendlichkeit zur Schwärmerei, und giebt der Aussprache mehr Weichheit und Langsamkeit. Erhebt man sich dagegen in die Gebirge, so wird der Accent kräftiger, als ob die Bewohner dieser erhabnen Gegenden sich dem Ueberrest der Welt von der Höhe ihrer natürlichen Rednerbühnen verständlich machen wollten. In den deutschen Dialecten findet man die Spuren der eben von mir angedeuteten Einflüße.
Das Deutsche ist an und für sich selbst eine eben so ursprüngliche Sprache, und hat fast einen eben so gelehrten Bau, als das Griechische. Die, welche über die großen Völkerfamilien Untersuchungen angestellt haben, glaubten historische Gründe für diese Ähnlichkeit zu finden; wahr bleibt es immer, daß man im Deutschen eine grammatikalische Ähnlichkeit mit dem Griechischen findet, mit welchem es die Schwierigkeit theilt, ohne dessen Reiz zu besitzen: da die Menge der Consonanten, aus welchen die Wörter dieser Sprache bestehen, sie mehr harttönend, als wohlklingend machen. Man möchte sagen, daß diese Wörter stärker sind, als das, was sie ausdrücken sollen, und dies giebt zuweilen dem Stil eine Eintönigkeit von Energie. Dessenungeachtet hüte man sich wohl, die deutsche Aussprache zu sanft machen zu wollen; es entsteht sodann daraus eine gewisse manierirte Ziererei, die ganz und gar unangenehm ist: man hört Töne, die doch im Grunde rauh sind, ungeachtet der Zierlichkeit, die man hineinzulegen sucht, und diese Gattung der Affectation erregt besonderes Mißfallen.
Jean Jacques Rousseau sagt: die südlichen Sprachen seyen Töchter der Freude, die des Nordens Töchter der Nothwendigkeit. Das Italienische und das Spanische haben Modulationen wie ein harmonischer Gesang, das Französische ist zur Unterhaltung geeignet; dem Englischen endlich haben die Parlamentsarbeiten und die der Nation eigenthümliche Energie eine Art von Ausdruck gegeben, welcher die Prosodie ersetzt. Die deutsche Sprache ist viel philosophischer als die Italienische, viel poetischer in ihrer Kühnheit als die Französische, dem Rhythmus der Verse viel günstiger, als die Englische; aber es hängt ihr noch immer eine Art von Steifheit an, welche vielleicht daher rührt, daß man sich ihrer noch nicht, weder in der Gesellschaft noch im Publikum, bedient hat.
Die grammatische Einfachheit ist einer der großen Vorzüge der modernen Sprachen; diese Einfachheit , welche auf Grundsätzen einer, allen Nationen gemeinen Logik beruht, macht das wechselseitige Verstehen sehr leicht: es bedarf nur eines sehr geringen Studiums, um Italienisch oder Englisch zu lernen, das Deutsche dagegen ist eine Wissenschaft. Die deutsche Periode umspannt den Gedanken, wie eine Scheere, die sich bald öffnet und bald wieder schließt, um ihn zu fassen. Ein fast antiker Bau
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