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Ueber Deutschland

Titel: Ueber Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Germaine de Staël
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    Ich habe gesagt, daß sich in Göthe alle Hauptzüge des deutschen Genius finden; ich setze hinzu, alle in einem ausgezeichneten Grade: eine große Tiefe der Ideen, eine Anmuth, die in der Einbildungskraft ihre Quelle hat, und viel eigenthümlicher ist, als die durch den Geist des Umgangs gebildete, endlich eine zuweilen an das Fantastische streifende Empfindung, die aber eben aus diesem Grunde geeigneter ist, Leser zu interessiren, die sich zu den Büchern wenden, um Wechsel in ihr einförmiges Daseyn zu bringen, und von der Poesie fordern, daß sie ihnen die Stelle wahrer Ereignisse vertrete. Wäre Göthe ein Franzose, so ließe man ihn von Morgen bis Abend nur sprechen: alle schriftstellerische Zeitgenossen Diderots gingen zu ihm, um Ideen aus seiner Unterredung zu schöpfen, und bereiteten ihm einen dauernden Genuß in der Bewunderung, die er einflößte. In Deutschland versteht man die Kunst nicht, sein Talent in der Unterhaltung auszugeben, und so wenige Menschen, selbst unter den Ausgezeichnetesten, haben die Fertigkeit zu fragen und zu antworten, daß die Gesellschaft dort fast für nichts gilt; Göthes Einfluß aber ist dessenungeachtet nicht minder außerordentlich. Es giebt unter den Deutscheu gewiß eine große Menge, die Genie in der Aufschrift eines Briefes finden würden, wenn er sie geschrieben hätte. Die Bewunderung Göthes bildet eine Art von Brüderschaft, deren Losungsworte die Eingeweihten einen dem andern kenntlich machen. Wenn Ausländer ihn auch bewundern wollen, aber einige Einschränkungen darauf hindeuten, daß sie sich erlaubt haben, seine Werke näher zu untersuchen, so werden sie mit Verachtung zurückgewiesen; und doch gewinnen diese Werke bei der Prüfung so sehr. Man kann einen solchen Fanatismus nicht erregen, ohne große Eigenschaften, im Guten oder Bösen, zu besitzen: denn nur die Macht wird, in welcher Gattung es sey, von den Menschen so gefürchtet, um sie auf diese Weise lieben zu können.
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Achtes Capitel. Schiller.
    Schiller war ein Mann von seltenem Genie und vollkommener Zuverläßigkeit; und beide Eigenschaften sollten, wenigstens in dem Gelehrten, unzertrennlich seyn. Der Gedanke kann der Handlungsart nur dann gleichgestellt werden, wenn er in uns das Bild der Wahrheit erweckt; die Lüge ist in Schriften noch eckelhafter, als im Leben. Handlungen, selbst betrügerische, bleiben immer Handlungen, und man weiß, woran man ist, wenn es darauf ankommt, sie zu beurtheilen oder sie zu hassen; Bücher aber sind eine langweilige Masse eitler Worte, wenn sie nicht aus aufrichtiger Ueberzeugung fließen.
    Es giebt keine schönere Laufbahn als die gelehrte, wenn man sie, wie Schiller, durchwandeln kann. In Deutschland herrscht in allen Dingen ein solcher Ernst und eine solche Treue, daß man nur in diesem Lande allein auf eine vollständige Weise den Character und die Pflichten jedes Berufes kennen lernen kann. Nichts destoweniger war Schiller bewundernswürdig unter allen, durch seine Tugenden sowohl als seine Talente. Das Gewissen war seine Muse, und eine solche darf nicht angerufen werden, man hört sie stets, wenn man ihr einmal horchte. Er liebte die Poesie, die dramatische Kunst, die Geschichte, die Literatur, um ihrer selber willen; und hätte er auch nie daran gedacht, seine Werke herauszugeben, er würde sie denn mit gleicher Sorgfalt gepflegt haben. Nie wäre eine Rücksicht auf den Erfolg, auf Mode oder Vorurtheile, kurz, auf alles, was von Andern kommt, im Stande gewesen ihn dahin zu bringen, daß er seine Schriften ändere; denn seine Schriften waren er selbst, sie sprachen seine Seele aus, und er begriff die Möglichkeit nicht, auch nur einen Ausdruck zu ändern, wenn das innere Gefühl, das ihn begeisterte, sich nicht verändert hatte. Allerdings konnte Schiller nicht von Eigenliebe frei seyn. Wenn man deren bedarf, um den Ruhm zu lieben, so bedarf man ihrer auch, um irgend schon einer Thätigkeit überhaupt fähig zu seyn. Allein nichts ist in seinen Folgen so sehr unterschieden, als Eitelkeit und Liebe zum Ruhm: die eine sucht den Beifall zu stehlen, die andere will ihn erobern; die eine ist ihrer selbst nicht gewiß und betrügt die Meinung, die andere rechnet nur auf die Natur, und stützt sich auf sie, um alles zu unterwerfen. Ueber der Liebe zum Ruhm selbst giebt es aber noch ein anderes reineres Gefühl, die Liebe zur Wahrheit, welche aus den Gelehrten gleichsam Priester macht, die für eine edle Sache streiten. Sie sind

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