Ueber Deutschland
je{ne} Sphären, die er bewohnte; welch eine Situation bietet diese Rückkehr zur Tugend bei einem unwiderruflichen Geschick! das fehlte noch den Qualen der Hölle, von Wesen bewohnt zu werden, die wieder Empfindung gewonnen! Unsre Religion ist uns ziemlich fremd in der Poesie; und Klopstock ist einer der neueren Dichter, der es am besten verstanden, das Geistige des Christenthums durch seinem Wesen angemessene Situationen und Gemälde gleichsam zu verkörpern.
Es ist nur Eine Episode der Liebe in dem ganzen Werke, und dies ist eine Liebe zwischen zwei Auferstandenen, Cidli und Semida; Christus hat ihnen beiden das Leben geschenkt, und sie hängen an einander mit einer Liebe, rein und himmlisch, wie ihr neues Daseyn: sie glauben sich dem Tode nicht mehr unterworfen, und hoffen mit einander von der Erde zum Himmel hinüber zu schweben, ohne den schrecklichen Schmerz einer scheinbaren Trennung für einen von ihnen. Welche rührende Dichtung diese Liebe in einem religiösen Gedicht! sie allein konnte mit dem Ganzen in Harmonie gebracht werden. Doch ist nicht zu läugnen, daß eine gewisse Eintönigkeit aus dem immer exaltierten Gegenstande entsteht; die Seele ermüdet durch ein Uebermaaß von Contemplation, und der Verfasser braucht oft auferstandene Leser wie Cidli und Semida. Dieser Fehler hätte, wie mir scheint, vermieden werden können, ohne, doch in den Messias irgend etwas Profanes zu bringen; es wäre nämlich vielleicht besser gewesen, das ganze Leben Christi zum Gegenstande zu wählen, als gerade den Augenblick, wo seine Feinde seinen Tod begehren. Es hätte größere Kunst angewandt werden können, mit den Farben des Orients Syrien zu mahlen, und auf eine kräftige Weise den Zustand des Menschengeschlechtes unter der römischen Oberherrschaft zu schildern. Es sind zu viel und zu lange Reden im Messias. Die Beredsamkeit selbst trifft die Einbildungskraft weniger als eine Situation, ein Charakter, ein Gemählde, die etwas zu errathen übrig lassen. Der Logos, oder das göttliche Wort war schon da vor der Schöpfung der Welt, aber bei den Dichtern muß die Schöpfung dem Worte vorausgehn.
Man hat es eben so Klopstock zum Vorwurf gemacht, in die Zeichnung seiner Engel nicht Mannichfaltigkeit genug gebracht zu haben; es ist wahr, daß in einem vollkommenen Wesen Verschiedenheiten schwer aufzufassen, und es gewöhnlich Fehler sind, die die Menschen characterisiren; nichts desto weniger hätte sich doch mehr Abwechselung in dies große Gemälde bringen lassen; endlich, so scheint es mir, hätten nicht noch zehn Gesänge dem, der die Haupthandlung, den Tod des Erlösers, beendigt, hinzugefügt werden dürfen. Diese zehn Gesänge enthalten allerdings große lyrische Schönheiten; aber wenn ein Werk, welcher Gattung es sey, ein dramatisches Interesse erregt, so muß es in dem Augenblicke schließen, wo dies Interesse aufhört. Bemerkungen, Gefühle, die man anderwärts mit dem größten Vergnügen lesen würde, ermüden fast immer, wenn eine lebendigere Erregung ihnen vorangegangen ist. Es ist mit den Büchern beinahe wie mit den Menschen, daß man von ihnen immer dasjenige fordert, was sie selbst uns gewöhnt haben von ihnen zu erwarten.
Es herrscht in Klopstocks ganzem Werke ein erhabenes und empfindungsreiches Gemüth vor; doch sind die Eindrücke, die er erregt, zu gleichförmig und die trüben Bilder zu gehäuft. Das Leben hebt sich nur, weil man den Tod vergißt, und dies ist ohne Zweifel der Grund, warum die Idee des Todes einen so schrecklichen Schauder erregt, wenn sie uns vor die Seele tritt. Im Messias, wie bei Young, werden wir zu oft unter die Gräber geführt, es wäre um die Künste geschehen, wollte man sich immer in dieser Art der Meditation versenken; denn es bedarf eines sehr energischen Gefühls unsrer Existenz, um zu fühlen, daß die Poesie die Welt belebt. Die Heiden stellten in Gedichten, wie auf den Basreliefs ihrer Grabmähler, immer verschiedenartige Gemälde dar, und schufen so den Tod in eine Lebenshandlung um; aber die weitaussehenden und tiefen Gedanken, die sich um die letzten Augenblicke des Christen lagern, eignen sich mehr zur Rührung, als zu den lebendigen Farben der Einbildungskraft.
Klopstock hat religiöse und patriotische Oden, und noch andere über verschiedene Gegenstände gedichtet, die voll von Geist sind. In seinen religiösen Oden weiß er Ideen, die dem Unendlichen angehören, in sichtbare Bilder zu kleiden, aber diese Gattung von Poesie verliert sich zuweilen in das
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