Ueber Deutschland
Tanz den Leser. Als Oberon auf einem beflügelten Wagen die beiden Liebenden durch die Lüfte fortführt, wird das Erschreckende dieses Wunders durch die Sicherheit, die die Liebe ihnen einflößt, gehoben.
Vergebens hüllt die Nacht mit dunstbelad'nen Flügeln
Den Luftkreis ein; dies hemmt der Liebe Sehkraft nicht:
Aus ihren Augen strahlt ein überirdisch Licht,
Worin die Seelen selbst sich in einander spiegeln.
Nacht ist nicht Nacht für sie; Elysium
Und Himmelreich ist alles um und um;
Ihr Sonnenschein ergießet sich von innen,
Und jeder Augenblick entfaltet neue Sinnen.
Die Empfindsamkeit verbindet sich in der Regel nicht leicht mit dem Wunderbaren, es ist so etwas Ernsthaftes in den Gefühlen des Gemüths, daß man sie nicht gern mit den Spielen der Einbildungskraft vermischt sieht. Wieland aber besitzt die Kunst, diese phantastischen Dichtungen mit wahrhaften Empfindungen auf eine Weise zu verschmelzen, die nur ihm eigenthümlich ist.
Die Taufe der Tochter des Sultans, die Christin geworden ist, um Huon zu heirathen, ist gleichfalls von der höchsten poetischen Schönheit; die Religion um die Liebe wechseln, ist freilich ein wenig profan; aber das Christenthum ist so sehr die Religion des Herzens, daß man nur mit Ergebenheit und Reinheit zu lieben braucht, um schon bekehrt zu seyn. Oberon hat beide junge Gatten geloben lassen, sich vor ihrer Ankunft in Rom einander nicht ganz anzugehören; sie sind zusammen auf einem Schiffe, und getrennt von der übrigen Welt, läßt die Liebe sie ihr Gelübde vergessen. Nun bricht der Sturm die Fesseln, die Winde brausen, die Wellen toben, die Masten brechen, die Schiffenden wehklagen, die Matrosen schreien um Hülfe. Endlich wird das Schiff leck, die Fluthen drohen, alles zu verschlingen, und die Gegenwart des Todes kann kaum die beiden Gatten dem Gefühl des Glücks des irdischen Lebens entreißen. Sie stürzen ins Meer, eine unsichtbare Macht rettet sie und läßt sie an einer unbewohnten Insel landen, wo sie einen Einsiedler finden, den sein Unglück und seine Religion in diese Einsamkeit gebracht.
Amanda, Huons Gattin, bringt nach langen Widerwärtigkeiten einen Sohn zur Welt, und es giebt nichts Bezaubernderes, als dies Bild der Mütterlichkeit in der Wüste: dies neue Wesen, das die Einsamkeit belebt, diese unsichern Blicke der Kindheit, die die leidenschaftliche Zärtlichkeit der Mutter auf sich zu richten sucht, alles ist voll Empfindung und Wahrheit. Die Proben, denen Oberon und Titania beide Gatten unterwerfen wollen, dauern fort, aber endlich findet ihre Beständigkeit den Lohn. Obgleich einige Längen in diesem Gedichte sind, so ist es doch unmöglich, es nicht allerliebst zu finden, und würde es den Franzosen in gute Verse übersetzt, so würden sie es gewiß eben so beurtheilen.
Vor und nach Wieland versuchten Andere im französischen und italienischen Geschmack zu schreiben, was sie aber geleistet, verdient kaum der Erwähnung; und hätte die deutsche Literatur nicht einen eigenthümlichen Character angenommen, so würde sie in der Geschichte der schönen Künste keine Epoche machen. Mit Klopstock's Messias beginnt die Zeitrechnung für die Poesie in Deutschland.
Der Held dieses Gedichts, nach unsrer sterblichen Sprache, flößt in gleichem Grade Bewunderung und Mitleid ein, ohne daß je eines dieser Gefühle durch das andere geschwächt wird. Ein edler Dichter, Herr von Sabran, sagt von Ludwig dem Sechzehnten:
Noch nie vertrug sich Ehrfurcht so mit Mitleid.
Dieser rührende und zarte Vers könnte als Ausdruck für die Rührung gelten, die der Heiland bei Klopstock erregt. Ohne Zweifel ist der Gegenstand erhaben über alle Erfindungen des Genies; doch gehört sehr viel dazu, um mit so viel Empfindung die Menschlichkeit in einem göttlichen Wesen, und mit so viel Kraft die Gottheit in einem sterblichen Wesen darzustellen. Auch ist ein großes Talent erforderlich, um Interesse und bange Besorgniß in die Erzählung einer Thatsache zu legen, die schon im Voraus ein allmächtiger Wille entschieden. Klopstock hat mit großer Kunst alles zu vereinigen gewußt, was das Schicksal der Alten und die Vorsehung der Christen zu gleicher Zeit an Schrecken und an Hoffnung erregen können.
Ich habe anderweitig von dem Character des Abbadona, dieses reuigen Teufels, der den Menschen Gutes zu thun sucht, gesprochen: nagende Gewissensbisse heften sich an seine unsterbliche Natur, sein reuiges Sehnen hat den Himmel selbst zum Gegenstande, jenen Himmel, den er gekannt,
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