Ueber die Wupper
so
nett, sie mir zu füllen. Ein verfrühtes Martinssingen,
wenn man so will.« Er meckerte wieder. Diesmal über
seinen eigenen Witz.
Ganz weit hinten in
Max' Kopf machte sich eins der Alarmglöckchen an die Arbeit.
»Hören Sie, Herr …«
»Conradi. Jupp
Conradi.« Der rheinische Schlenker war nicht zu
überhören.
»Herr
Conradi«, wiederholte Max. »Ich bin müde und
wäre Ihnen dankbar, wenn Sie es kurz machen
würden.«
»Kurz ist der
Schmerz und ewig ist die Freude.« Conradi meckerte schon
wieder. »Herr Hellenrath, ein Freund von mir hat Ihnen vor
einiger Zeit aus einer finanziellen Klemme geholfen. Wie es der
Zufall will, hat er heute seinen Skatabend und braucht das Geld
zurück.« Dazu blickte er auf seine Armbanduhr.
Sein Unterarm
sah aus, als hätte er die letzten zwanzig Jahre
Stahlnägel in Betonwände gekloppt. Ohne
Hammer.
»Schulden?« fragte
Max. »Bei einem Freund von Ihnen? Hat der Freund auch einen
Namen?«
»Den sicheren
Freund erkennt man in unsicherer Lage«, sagte Conradi.
»Und aus einer solchen hat Sie mein Freund Seklacek an der
türkischen Grenze befreit. Nicht wahr?«
Ach, daher wehte der
Wind. Die saublöde Schmuggeltour. Das Bakschisch für den
türkischen Zöllner, damit er sie laufen ließ. Sein
Schmuggelkumpan Seklacek hatte ihm den Betrag vorgestreckt. Max
hatte ja das gesamte Vermögen der Band in die Pornos
investiert, und die waren konfisziert worden.
»Der Siggi
kriegt sein Geld«, sagte Max lässig. »Keine Sorge.
Nur heute abend spielt er besser 'ne Partie Monopoly. Zur Zeit bin
ich nämlich blank.«
Conradi holte tief
Luft, was ihm das Format eines Fesselballons verlieh. Dann stemmte
er sich aus dem Gartenstuhl. Länge eins neunzig.
Satt.
»Lassen Sie uns
hineingehen, Herr Hellenrath«, sagte er, wobei er die Luft
langsam wieder abließ, »und einfach mal nachsehen, was
sich in den Schubladen alles so findet.«
Ein Putzeimer
Adrenalin schwappte in Max' Nervensystem. Der Kerl war kein simpler
Freund von Seklacek. Der Mistkerl war ein Geldeintreiber, ein
Troubleshooter, irgend so ein gottverdammter Gangster.
Max ließ so
unauffällig wie möglich seinen Blick schweifen. Wo war
bloß Bessie, die Setterhündin?
Und wo war Wolle, der
Hausschrat, der sich für Kost und Logis um die Tiere
kümmerte, wenn Irmgard und Max unterwegs waren?
»Ihr Faktotum
ist Milch holen gegangen«, sagte Conradi, grinste und
polierte seinen Onyxring am Hosenbein. »Den Wauwau hat er
gleich mitgenommen. War ein Tip von mir. Kommen
Sie.«
Conradi hielt die
Haustür auf. Bei Max mischten sich anteilig Wut und Angst. Am
liebsten hätte er eine Runde geheult.
Die Küche. Sie
sah noch so aus wie vor drei Tagen. Auf dem Tisch standen die
Kaffeetassen mit den angetrockneten Rändern, die Porzellandose
mit dem verstreuten Zucker drumherum. Die Muschel, die als Aschenbecher
diente, quoll über von Kippen und alten Teebeuteln.
Max überlegte
fieberhaft, was er tun könnte. »Wollen Sie einen
Kaffee?«
»Nein, danke.
Ich will fünfhundert Mark.« Conradi interessierte sich
für die Reihe abstrakter Tonskulpturen auf dem
Küchenschrank. »Sind die von Ihnen?«
»Nein«,
sagte Max. »Von meiner Freundin.«
Conradi nahm eine der
Figuren vom Schrank, betrachtete sie genauer. »Kann Ihre
Freundin Ihnen nicht etwas unter die Arme
greifen?«
Bevor Max irgend etwas
sagen konnte, zersprang Irmgards Skulptur auf dem
Holzboden.
»Ach, das tut
mir aber leid«, sagte Conradi. »Ich bin manchmal so
ungeschickt.«
»Jetzt reicht's
aber.« Max' Stimme brach vor Heiserkeit. »Ich bin doch
nicht eure Fußmatte. Seklacek kriegt sein Geld. Nur nicht
heute.«
Mit einer Flinkheit,
die Max ihm nicht zugetraut hätte, stieß Conradi den
Tisch um und räumte mit einem Schlag sämtliche Töpfe
und Pfannen vom Herd. Der Lärm war noch nicht verhallt, als
Max ein Zeigefinger von der Härte eines Gummiknüppels in
die Brust gerammt wurde. Er hatte keine Wahl. Er mußte den
Rückwärtsgang einlegen.
»Du bist
Gitarrist, Bursche«, bellte Conradi und stieß Max vor
sich her. »Hat mir jedenfalls der Siggi gesagt. Und
Gitarristen brauchen gesunde Finger, stimmt's? Also, wenn du
vorhast, weiterhin die Klampfe zu zupfen, sollte dir jetzt
blitzschnell einfallen, wo die Kröten
herumfliegen.«
Max stieß gegen
die Ottomane vom Sperrmüll. Weiter zurück ging es nicht.
Und auf einmal ertränkte sein Zorn die Angst.
Max tauchte ab, sprang
vor und rammte Conradi die Schulter in den Magen. Ihm war, als
pralle er
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