Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
Theorie, derzufolge das eine Opfer in der früheren Palme-Ermittlung besonders interessant war. PKK- Mitglied, politisch aktiv und so weiter. Köge zufolge ist es das Opfer, das bestimmt, wer der Täter ist, nicht das Verhalten des Täters.«
    »Und das zweite Opfer? War der Mann auch Mitglied der PKK?« fragte Erik Ponti mit ausdruckslosem Gesicht.
    »Nein, das war ein ganz gewöhnlicher Kurde, wenn man das sagen kann«, sagte der erste Kriminalreporter. Er schnitt unabsichtlich eine Grimasse über seinen mißlungenen Ausdruck.
    »Weiß man, wer von den beiden als erster erschossen wurde?« fragte Erik Ponti weiter.
    »Ja, der gewöhnliche Kurde«, erwiderten beide wie aus einem Mund, als ginge ihnen gleichzeitig ein Licht auf.
    »Das ist nun wirklich sehr interessant«, sagte Erik Ponti und zog die Hand vors Gesicht, um zu verbergen, daß er vor Lachen gleich herausplatzen würde. »Wenn man aber zwei zufällig ausgewählte Kurden erschießen will, muß das inzwischen ja sehr gut bekannte kurdische Buchcafé ein gutes Jagdrevier sein, falls ihr den Ausdruck entschuldigt. Die Wahrscheinlichkeit, daß man dabei mindestens einen politisch aktiven Kurden erschießt, gern Mitglied der PKK oder von was auch immer, liegt bei ungefähr einhundert Prozent.«
    Die beiden Kriminalreporter betrachteten ihn eifrig und aufmerksam. Das war ganz offenbar etwas, woran sie nicht gedacht hatten, wie selbstverständlich es Erik Ponti auch erscheinen mochte.
    »Was ich auf meine stille Art andeuten möchte«, fuhr Erik Ponti jetzt mit einem Lächeln fort, »ist folgendes: Ihr scheint mit Kurden ungefähr genausowenig Umgang zu pflegen wie unser Freund Jan Köge. Was ihr nicht begriffen habt, hat auch er nicht begriffen. So einfach ist es. In Ordnung, wir senden das! Aber wir wollen den Ansatz ein wenig ändern, wenn ihr entschuldigt. Diese lange Beweisführung, daß Köge ein Idiot ist, lassen wir raus. Wir sagen nur, daß er sich unter Umständen irrt, und zwar mit den Argumenten, die erstens auf seiner Vergangenheit als erfolgloser Kurdenjäger beruhen, und zweitens auf den einfachen Schlußfolgerungen, die wir soeben gezogen haben. Ist das in Ordnung?«
    Und ob das in Ordnung war. Er hatte seine endgültige Genehmigung kaum ausgesprochen, als die beiden schon aus dem Zimmer waren und zum nächsten Redaktionsraum rannten, um das erste Stück ihres Beitrags zu ändern, in dem es um den Kurdenjäger Köge ging.
    Erik Ponti blieb jedoch ganz still und nachdenklich sitzen. Er hatte nicht die geringste Lust, irgendeinen neuen unbeantworteten Brief in Angriff zu nehmen oder anderes, was zu dem theoretischen Traumziel beitragen konnte, den Schreibtisch leer zu fegen.
    Da war etwas Merkwürdiges, etwas, was nicht stimmte, was zu gut paßte. Da war etwas, was weder er noch die jüngeren Kollegen sehen konnten, weil es so etwas noch nie gegeben hatte. Im Grunde wußte niemand, ob es tatsächlich ein Serienmörder war, der da draußen herumlief. Im Grunde war es so, daß diese Theorie nur etwas besser war als das, was den Konkurrenten auf dem »Nachrichtenmarkt« – wie der neue Chef den Journalismus bezeichnete – eingefallen war.
    Ein durchgedrehter Leutnant in irgendeinem Gebirgsjägerverband? Ja, das konnte möglicherweise die guten Schießkünste des Mannes erklären. Doch was die Leute auch glauben mochten, solche Soldaten waren nicht in Chirurgie und Karate ausgebildet. Also. Ein verrückter Elitesoldat, der sich privat in Kampfsportarten fortgebildet und dubiose Zeitschriften wie Soldier’s Fortune abonniert hatte?
    Nun ja, aber dann hätte die Polizei ihn schon längst gefunden. Das Ganze schien nach ein paar Stunden Arbeit an einem einigermaßen anständig gefütterten PC auszusehen, und damit war die Polizei versorgt.
    Etwas stimmte ganz grundsätzlich nicht. Soweit es Erik Ponti betraf, ging es in erster Linie darum, daß er für einige Augenblicke das Gefühl hatte, selbst so etwas wie Privatfahnder geworden zu sein. Denn im Moment hatte es leider den Anschein, daß beim Echo des Tages gründlicher nachgedacht worden war als beim Gewaltdezernat der Stockholmer Polizei. Das konnte natürlich darauf zurückzuführen sein, daß man dort nun den Chef hatte, der dort saß, wie immer er dorthin gekommen war.
    Was zum Teufel soll das? sagte sich Erik Ponti ironisch. Wir veröffentlichen es einfach, dann werden wir ja sehen, wie der Ameisenhaufen munter wird. Wir können uns auf keinen Fall noch mehr irren als die anderen.
    Das war

Weitere Kostenlose Bücher