Über jeden Verdacht erhaben
Kriminalkommissar Jan Köge und einigen anderen Personen gezeigt wurde, war folgendes: Jan Köge sei ein bekannter Kurdenjäger aus Holmérs alter Garde (eindeutiger Beweis). Er habe sich damals vollkommen geirrt und sei anschließend aus der Säpo entlassen worden (eindeutiger Beweis). Folglich müsse er sich auch jetzt irren, nachdem er erklärt habe, terroristische Kurden hätten vor dem kurdischen Buchcafé andere Kurden ermordet (reine Unterstellung). Aus diesem Grund müsse es ganz anders gewesen sein (Zirkelschluß). Vermutlich befinde sich ein neuer Lasermann draußen auf dem Feld (reine Vermutung).
Diesen Beitrag hatte er ohne größeren Krach kippen können. Die Kriminalreporter waren alle bedeutend jünger als Erik Ponti. Er geriet nur selten mit ihnen in Konflikt, und überdies hatten sie zweifellos großen Respekt vor seinem beruflichen Können. Er hätte den Unterschied zwischen Fakten, Hypothesen und Vermutungen vermutlich in aller Ruhe und didaktisch behutsam besprechen können, ohne daß sich einer von ihnen allzu gekränkt gefühlt hätte.
Ihr zweiter Abschnitt der Darstellung des Lasermanns II war jedoch so interessant, daß dieser ernst genommen werden mußte.
Sie hatten mit Hilfe von Fachleuten an der Polizeihochschule in Solna ein sogenanntes Profil des Mörders erstellt, vorausgesetzt, es gab nur einen Mörder, der hinter den Überfällen der jüngsten Zeit steckte, bei denen Einwanderer mit orientalischem Hintergrund zu Tode gekommen waren. Die Profil-Methode war vom FBI in den USA ausgearbeitet worden. Sie wurde mit nachweislich recht großem Erfolg bei amerikanischen Serienmördern angewandt. Man hatte ein wissenschaftliches Programm entwickelt, bei dem alle bekannten Angaben und Daten über das Verhalten des Täters eingegeben wurden. Diese Daten wurden dann mit dem Programm abgeglichen. Das Ergebnis war ein statistisch wahrscheinliches Modell des Mörders.
Erik Ponti neigte zwar zu der Ansicht, daß diese Wissenschaft schon fast an der Grenze zur Astrologie lag, doch er wußte zu wenig davon, um gleich zu protestieren.
Wie auch immer: Das »Profil« des hypothetischen Serienmörders in Schweden hatte anhand des Computerprogramms des FBI einige faszinierende Charakterzüge.
Es handelte sich um einen alleinstehenden weißen Mann zwischen dreißig und fünfzig mit hoher Intelligenz, einem eingeschränkten oder beschädigten Gefühlsleben, unter anderem einem erheblichen Mangel an Empathie. Insoweit folgte der Täter einer recht wohlbekannten alten Spur, die auf den inzwischen antiquierten Begriff Psychopath hinwies. Ferner hatte der Mann einen Hintergrund beim Militär und wurde von einer Art Rachsucht getrieben. Diese beruhte vermutlich darauf, daß er in seiner Karriere vielleicht nicht den Erfolg gehabt hatte, der ihm seiner Meinung nach zustand. Möglicherweise, um nicht zu sagen wahrscheinlich, haßte der Mann auch Ausländer. Vermutlich handelte es sich um eine Art Übermensch, der es vermutlich als schwere Beleidigung auffassen würde, wenn man ihn mit dem Lasermann I verglich, John Ausonius. Vielmehr war er im Augenblick dabei, diesem John Ausonius und allen anderen Mitmenschen zu zeigen, was eine Harke ist.
Ein Professor der Polizeihochschule kommentierte kurz das Profil des Mörders, wie es sich anhand des beim FBI eingekauften Computerprogramms darstellte. Er tat es sendefreundlich kurz und drastisch mit zwei Kommentaren:
»Wenn wir diesen Täter, also den Täter dem Profil zufolge, mit John Ausonius vergleichen, stellen wir einige sachlich interessante Unterschiede fest. Ohne ein Opfer kränken zu wollen, kann ich die Behauptung wagen, daß John Ausonius bei einem einfachen Vergleich wie ein Stümper dasteht. Ausonius hat in neun von zehn Fällen danebengeschossen. Dieser Mann hier hat bisher keins seiner Ziele verfehlt.«
Und auf die Frage, was bei der Jagd nach dem neuen Serienmörder geschehen könne, hatte der Polizeiprofessor folgenden Kommentar parat:
»Zwei Dinge können passieren: Er macht weiter, bis er geschnappt wird. Und angesichts der technischen Fähigkeiten, die er bislang vorgeführt hat, fürchte ich, daß das recht lange dauern kann, sofern nicht der Zufall eine Festnahme ermöglicht. Oder der Mann wird allzusehr Übermensch. Vielleicht hört er aber auch einfach auf, weil er keine Lust mehr hat. Um dann, aber das ist nicht sicher, vielleicht nach einem Jahr wieder loszulegen. Das ist ein bei Serienmördern in den USA recht bekanntes Muster.«
Erik
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