Über jeden Verdacht erhaben
Versuch zu Demokratie, hat keinerlei Kenntnis davon, worüber wir hier sprechen, ebensowenig die zivile Justiz. Bei den Streitkräften sind wir also selbstverständlich ein Staat im Staate. Ich weiß nicht, ob das gut oder schlecht ist, eine Übergangsphase oder nicht, ob demokratisch oder undemokratisch. Aber es ist einfach so. Und die Streitkräfte, dieser Staat im Staate, unterhalten die Raswedka. Wir sind inzwischen eine vollkommen selbständige Einheit, da es kein Politbüro mehr gibt. So sieht es aus. Ich weiß wie gesagt nicht, ob das besonders demokratisch ist. Ich weiß nicht einmal, ob das in jeder Situation überhaupt praktisch ist. Ich weiß nur, daß die Wirklichkeit so aussieht.«
Die drei Richter steckten jetzt nochmals die Köpfe zusammen und berieten sich flüsternd. Sie schienen sich jedoch nicht sonderlich uneinig zu sein. Nach einer Weile klopfte der Vorsitzende auf den Tisch, betrachtete fragend seine beiden Kollegen, die bestätigend nickten, und dann erklärte er die Verhandlung für heute beendet.
Der Sekretär brüllte sofort los, alle sollten aufstehen, als die drei Richter im Gänsemarsch den Saal verließen.
Jurij Tschiwartschew durfte sich eine Zeitlang mit Larissa Nikolajewna in ein leeres Zimmer der Staatsanwaltschaft neben dem Gerichtssaal setzen, um dort mit ihr unter vier Augen zu sprechen. Sie machte einen höchst aufgeräumten Eindruck, lobte ihn, er habe das Verhör gegen Ende sehr gut gelenkt, und ermahnte ihn, keinen derart überlegenen Eindruck zu machen.
Er dürfe den Richtern nicht so überdeutlich zeigen, daß er sie für so unwissend halte. Solche Sticheleien würden ihnen nur die Laune verderben. Er solle bedenken, daß es keine zweite Instanz gebe. Nach der Entscheidung dieser Männer sei alles beendet, unabhängig vom Ergebnis. Selbst ein nicht einstimmiges Votum sei rechtsgültig. Und im Augenblick sei sie der Meinung, daß man allmählich schon an einen Freispruch glauben könne. Es werde jedenfalls keinen Kompromiß geben. Man werde ihn nicht zu fünf Jahren und den Verlust der Hälfte seines Eigentums oder derlei verurteilen. Es werde entweder einen Freispruch oder die Todesstrafe geben. Folglich solle er, und sei es nur aus reiner Vorsicht, etwas behutsamer sein, wenn er zu den drei Richtern spreche.
Jurij Tschiwartschew akzeptierte widerwillig ihre Ermahnungen. Rein sachlich hatte sie natürlich recht, »aber es bleibt doch trotzdem die Tatsache bestehen, daß die drei Arschlöcher sind, Bürokraten, die in ihren Uniformen aussehen wie Witzfiguren«.
Larissa Nikolajewna verdrehte die Augen und bat ihn eindringlich, sich niemals einen Kommentar entschlüpfen zu lassen oder eine Miene aufzusetzen, die auch nur andeutungsweise verrate, was er denke. Unter Umständen hänge sein Leben von einer Grimasse ab.
Erik Ponti war bester Laune. Es war Februar, die Woche der Skiferien, und eine goldene Gelegenheit, eine Menge routinemäßiger Arbeit vom Schreibtisch zu schaffen, da in dieser Woche keine ideologischen Konferenzen stattfanden und es keine Vorlesungen in Betriebswirtschaft und Unternehmensführung gab. Das lag daran, daß der neue Chef sich natürlich in Sälen oder vielleicht auch Åre aufhielt, »um mit den Kindern Ski zu laufen«.
Der erste erbsenzählerfreie Tag hatte gut angefangen, denn die Redaktionskonferenz dauerte sieben Minuten, und in denen ging es nur um Journalismus und das Echo des Tages . Anschließend gelang es ihm, ein paar Stunden lang effektiv zu arbeiten. Damit hatte er seinen Schreibtisch fast leer geräumt, auf dem sich sein schlechtes Gewissen in Form stapelweise unbeantworteter Briefe und Faxe gehäuft hatte. Er ließ sogar den Lunch ausfallen, weil er die lustvolle Hoffnung hegte, noch vor Ende des Arbeitstages eine vollkommen blanke Schreibtischplatte vor sich zu sehen.
Diese Hoffnungen wurden jedoch schon bald in Form des jüngsten Geniestreichs der Kriminalreporter zuschanden gemacht. Diese hatten nämlich den Lasermann II gefunden.
Da Erik Ponti gegenwärtig Senderverantwortlicher war, erhielt er das Ergebnis ihrer Bemühungen in Form einiger Bänder auf seinen noch nicht völlig leeren Schreibtisch. Diese Bänder sollten das Rückgrat dieser nicht ganz neuen Hypothese werden, wie sie das Echo des Tages senden wollte. Die Beweisführung war in ihrem ersten Schritt ein wenig jesuitisch indirekt und erinnerte in ihrer besonderen Logik an die Denkgewohnheiten der Privatfahnder. Was mit Hilfe von Interviews mit dem
Weitere Kostenlose Bücher