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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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von beidem. Statt dessen lieferte sie Erik Ponti eine fröhliche und recht drastische Beschreibung dessen, wer Lamberto Dini, der Ministerpräsident, einmal gewesen sei, bevor er als Finanzminister bei Berlusconi gelandet sei, als dieser seinen kurzlebigen Versuch gemacht habe, Italien auf Vordermann zu bringen. Sie schilderte kurz die ökonomischen Konsequenzen des fehlgeschlagenen Versuchs, die Regierung zu Fall zu bringen. So sei die Lira gestärkt worden, und das Parlament habe ein Sparprogramm verabschieden können.
    Schließlich wurde sie albern und stellte einen halsbrecherischen Vergleich zwischen den schwedischen Rechtspopulisten Bert und Ian einerseits und Berlusconi andererseits an. Diese beiden hätten sich wie Berlusconi über die Massenmedien politische Macht verschafft. Es seien schließlich die Medien, die sie auf den Schultern getragen und bis in den schwedischen Reichstag gebracht hätten. Ähnlich sei es bei Berlusconi gewesen. Dieser sei mit Hilfe der von ihm kontrollierten neun Fernsehsender an die Macht gekommen. Sie verdrehte ein Sprichwort über Dschingis Khan und sagte, man könne die Welt zwar vom Pferderücken aus erobern, aber nicht von dort lenken. In unserer Zeit habe dieses Wort eine neue Bedeutung erhalten. Man könne also die politische Macht vom Bildschirm aus erobern, aber nicht von dort regieren.
    An Bildung und Humor von Erik Pontis Tischdame war also nichts auszusetzen, doch da sie sich die ganze Zeit auf italienisch unterhielten, bekam er nur noch bruchstückhaft mit, worüber die vier anderen auf schwedisch sprachen. Eines war jedoch vollkommen klar und bildete einen dramatischen Gegensatz zu den Möbeln und dem Stil des Hauses sowie dem, was sie gegessen und getrunken hatten. Bei den drei Männern dort war kein Laut von »Sozis« oder ungerechten Steuern zu hören. Sie schienen sich fast ausschließlich über Außenpolitik zu unterhalten, über Tschetschenien, über die NATO, und dann glaubte Erik Ponti, etwas von Skinheads und Rassisten zu hören.
    Als hätte Carl gesehen, daß Erik Ponti gleichzeitig Konversation zu machen und zu lauschen versuchte, befahl er plötzlich mit lauter Stimme Wachablösung und schickte Luigi, der die italienische Unterhaltung übernehmen und mit Erik Ponti die Plätze tauschen sollte.
    »Du scheinst dich verdammt gut auf dieses Spaghetti-Gequatsche zu verstehen«, bemerkte der blonde Riese freundlich, als Erik Ponti sich mit seinem Glas neben ihn setzte.
    »Das liegt möglicherweise daran, daß ich selbst ein Spaghetti bin«, sagte Erik Ponti aus dem Mundwinkel, was er einem Vorbild in einem bekannten Film nachtat.
    »Du darfst ihn nicht so ernst nehmen. Die Finnen sind so, fremdenfeindlich nämlich«, sagte Åkes Frau Anna.
    »Ich muß doch sehr bitten. Komm jetzt nicht auf die Idee, mit den Vertretern der Presse dummes Zeug zu reden«, sagte der blonde Riese. Er blickte mit einem Auge mißtrauisch auf das Glas mit Grappa, das er dann mit einer plötzlichen Bewegung an die Lippen führte und austrank.
    »Du siehst«, sagte seine Frau und breitete die Arme aus. »Er tut alles, was er nur kann, um den Finnen und Macho zu spielen, obwohl er nur ein hurri ist, ein Finnlandschwede.«
    »Hör mal, du Bürschchen von der Presse«, sagte der blonde Riese wohlwollend, als er das leere Glas mit einem Knall auf den Tisch stellte und Carl abwehrend zuwinkte, der erneut drohend die Flasche hob. »Warum schreibt ihr immer nur, wenn wir Mist bauen, aber nie, wenn wir etwas gut machen?«
    »Wieso?« sagte Erik Ponti amüsiert und drehte sein Glas zwischen den Fingern. »Nenn mir mal ein Beispiel. Wer zum Beispiel sind wir ?«
    »Die Küstenjägerschule, natürlich«, sagte der blonde Riese gekränkt, weil sein Gesprächspartner das nicht gleich erfaßt hatte.
    Das hätte er vielleicht tun müssen. Im selben Moment ging Erik Ponti auf, wer der Mann war, der so aussah wie der böse große Bruder eines Freistilringers: Åke Stålhandske, Chef der Küstenjägerschule, offenbar einer von Carls alten Schildknappen. Damit begriff Erik Ponti auch, was Åke Stålhandske gemeint hatte.
    »Das ist gar nicht so schwer zu verstehen«, sagte er mit der Parodie eines pädagogischen Tonfalls. »Wenn es an der Küstenjägerschule zu Fällen von Rassismus kommt, ist das eine Sensation, die in der Zeitung stehen muß und über die im Echo des Tages berichtet wird. Wenn es an der Küstenjägerschule nicht zu Rassismus kommt, darf man wohl davon ausgehen, daß das ziemlich normal

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