Über jeden Verdacht erhaben
unter die Lupe zu nehmen. Es war nicht ganz unkompliziert, als Polizist ein Studentenwohnheim zu betreten und um die Erlaubnis zu bitten, sich einmal umzusehen, ohne eine sehr gute Erklärung dafür parat zu haben. Studenten haben die unglückliche Neigung, Bullen mit einem gewissen Mißtrauen zu betrachten, und je röter die Studenten, um so mißtrauischer sind sie. Rune Jansson hatte den Zusammenhang nie verstanden, doch andererseits beschränkten sich seine eigenen akademischen Meriten auf eine Ausbildung zum Reserveoffizier und zwei Jahre auf der Polizeihochschule. Und an der Polizeihochschule waren die Studenten nicht sonderlich rot, eher das Gegenteil.
Es herrschte Tauwetter, doch es lag immer noch viel Schnee.
Beim Warten auf seinen Kollegen ging Rune Jansson stampfend auf und ab. Von Zeit zu Zeit warf er einen Seitenblick zu der Feuerleiter, die vom dritten Stock direkt zu ein paar hohen Büschen herunterführte. Dort oben im dritten Stock, hinter dem schmalen Fenster, an dem die Feuerleiter endete, hatten sich der Säpo-Chef und vier seiner Leibwächter zum Zeitpunkt des Mordes befunden, und zwar einige Stunden davor und auch in den nachfolgenden Stunden bis zum Morgen. Sie waren abgereist, bevor man die Opfer entdeckt hatte, und niemand hatte ihre Nachtherberge mit den Morden in Verbindung gebracht; die Allgemeinheit hatte es nicht getan, weil sie nichts von diesem äußerst geheimen Arrangement wußte, und die Ordnungspolizei in Umeå aus dem leicht einzusehenden Grund, daß sie der Meinung war, daß die Anwesenheit von Polizisten nicht sonderlich verdächtig ist, wenn ein Verbrechen begangen wird.
Es war die Polizei in Umeå, die bei allen Arrangements für Hamiltons Auftritt vor den Studenten mit der Säpo zusammengearbeitet hatte. Und bei der Polizei hatte man erst auf direkte Nachfrage vom Ermittlungsdezernat von diesem interessanten Umstand berichtet.
Rune Janssons norrländischer Kollege hatte Verstand genug, seinen Wagen weit weg auf dem Parkplatz abzustellen, und kam zu Fuß näher. Rune Jansson schlug vor, sie sollten sich als Polizeibeamte ausweisen und behaupten, sich die Feuerschutzeinrichtungen ansehen zu wollen. Sie könnten sich damit entschuldigen, jemand habe gemeldet, daß die Feuerwehr geschlampt habe. Es sei keine große Sache, aber doch eine kleine einfache Arbeit, die erledigt werden müsse. Etwas in dieser Richtung.
Es ging gut. Man ließ sie ein, sogar ohne die kleinste Mißfallensbekundung. Im dritten Stock befanden sich sieben Zimmer, eine Küche und ein Fernsehraum. Jedes Studentenzimmer hatte neunzehn Quadratmeter. Der Korridor lief an einem Ende auf eine Tür zu, die sich abschließen ließ, und am anderen Ende befand sich das Fenster zur Feuerleiter.
Die einfachen äußeren Umstände sprachen eine deutliche Sprache. Die Türen zum Korridor ließen sich ohne Quietschen öffnen. Der weiche Linoleumbelag würde alle Schritte dämpfen, wenn man auf Strümpfen ging, was Rune Jansson und sein Kollege rücksichtsvoll taten.
Zum Zeitpunkt des Doppelmords war dieser Flur des Wohnheims von einer Gruppe ausländischer Studenten bewohnt gewesen, die ausgerechnet in dieser Nacht mit all ihren Habseligkeiten hatten umziehen müssen. Rune Jansson hatte den Vormittag bei der Studentenverwaltung verbracht, um herauszufinden, wie das alles arrangiert worden war. Es war nicht ganz einfach gewesen, da die beiden Verantwortlichen, eine junge Frau und Sozialdemokratin namens Anna Lind sowie ein Angehöriger der Zentrumspartei namens Mattias Johansson, zunächst behauptet hatten, sie unterlägen so etwas wie einer »Schweigepflicht« und hätten versprochen, nichts zu verraten, was mit dem Besuch des Säpo-Chefs zusammenhänge.
Rune Jansson hatte freundlich erklärt, womit sich das Dezernat A bei der Reichspolizeiführung eigentlich beschäftige. Und welche Befugnisse das Dezernat in einer späteren Phase der Ermittlung geltend machen könne, wenn schon in diesem Stadium Schwierigkeiten drohten. Damit hatte er erfahren, was er hatte wissen wollen. Ohne auch nur die Stimme zu heben.
Als er jetzt auf der Rückfahrt zum Polizeihaus in der Stadtmitte mit seinem Kollegen im Wagen saß, grübelte er in erster Linie darüber nach, wie er die Sache dem Gewaltdezernat in Umeå erklären sollte. Diese Beamten hatten eine sehr undankbare Aufgabe gehabt, hatten verzweifelt nach Verbindungen zwischen den beiden Mordopfern gesucht und keine gefunden. Nun ja, wenn man davon absieht, daß beide ermordet
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