Über jeden Verdacht erhaben
nicht gewohnt, in Gesellschaft anderer Männer der schmächtigste zu sein. Ihm ging jetzt auf, daß auch der schwedisch-italienische Luigi natürlich einer von ihnen war, einer von denen, die beispielsweise auf Sizilien gewütet hatten. So sahen solche Monster also in einem Salon aus.
»Ist der Reichspolizeichef nicht irgendwie handgreiflich geworden, so wie du ihn bei uns zum Idioten gemacht hast?« fragte Erik Ponti, zu Carl gewandt, als dieser sich wieder gesetzt hatte.
»Ganz und gar nicht«, erwiderte Carl und hob sein Weinglas.
»Und wenn ich er wäre, würde ich mich jetzt eine Zeitlang hüten, das Maul aufzumachen.«
»Und was ist, wenn die Reichskripo mit ihrer Ermittlung auch nicht von der Stelle kommt?« fragte Erik Ponti mit automatischer Polemik. »Sie haben zwar alle Kurden freigelassen, gelobt sei Allah, aber was ist, wenn sie keinen Mörder schnappen?«
»Nun, das wäre natürlich schrecklich«, sagte Carl und schüttelte mit gespielter Beschämung den Kopf.
»Ach ja?« sagte Erik Ponti. »Dann würdest du auch ganz schön dumm dastehen, nicht wahr?«
»Aber ja«, seufzte Carl. »Allerdings habe ich jetzt so ein Gefühl von déjà vu. Jetzt werde ich nämlich heute schon zum dritten Mal zu dieser Frage vernommen. Aber schön, wir lassen uns nicht unterkriegen, also noch mal von vorn. Der Mörder beim kurdischen Buchcafé heißt Johan Ludwig Runestrand, ja, er heißt tatsächlich so. Seine Eltern waren vielleicht finnlandschwedische Romantiker, oder was weiß ich. Jedoch und nichtsdestoweniger: Wir haben ihn geschnappt, und er sitzt hinter Schloß und Riegel. Im Augenblick ist er wegen illegalen Waffenbesitzes festgenommen worden. Am Montag ändert sich der Festnahmegrund in Mord, und damit kann Haftbefehl ergehen. Die Beweise sind eindeutig. Ich werde also nicht, in welcher Form auch immer, dumm dastehen.«
»Stimmt das wirklich?« fragte Erik Ponti lahm. An Carls Miene deutete nichts auf eine andere Möglichkeit hin.
»Warum habe ich das nicht gewußt, als ich herkam? Warum hat es nicht ganz Schweden schon gewußt?« fuhr Erik Ponti entschlossener fort.
»Weil die Mordermittlungen bei der Reichsmordkommission von richtigen Profis geführt werden, und die haben den guten Geschmack, mit aller Publizität zu warten, bis die Sache völlig aufgeklärt ist«, erklärte Carl und breitete die Arme aus, ohne etwas aus seinem Weinglas zu verschütten, das er in der linken Hand hielt.
Erik Ponti machte ein Gesicht, als wäre er völlig vernichtet. Die anderen am Tisch verstummten und betrachteten ihn erstaunt, da sie nicht verstehen konnten, weshalb er so sichtlich am Boden zerstört war.
»Teufel auch«, sagte Erik Ponti resigniert. »Es ist wahrhaftig nicht einfach, in deiner Gegenwart Journalist zu sein. Gern Weinliebhaber und Gourmet, aber nicht Journalist. Dir ist doch klar, daß ich jetzt eigentlich zum nächstgelegenen Telefon rennen müßte?«
»Durchaus möglich«, sagte Carl mit einer Miene, als wäre er tatsächlich ein wenig verlegen. »Obwohl ich selbst nie zu arbeiten pflege, wenn ich Alkohol getrunken habe. Aber sieh es mal so: Wir haben Freitagabend. Johan Ludwig Runestrand wird erst am Montag nachmittag zu einer Nachricht werden. Wenn du willst, kannst du das hier ja schon am Sonntag hinaustrompeten. Aber kannst du jetzt vielleicht so nett sein, dich ein wenig zu entspannen?«
8
Von Pedagoggränd 9 B bis zum Tatort des Mordes an der Kirche von Alidhem sind es gut zweihundert Meter, ein Spaziergang von wenigen Minuten. Zum Zeitpunkt des Doppelmords hatten sich fünf Personen im dritten Stock von Pedagoggränd 9 B befunden, die möglicherweise sämtlich fähig und in der Lage gewesen wären, auf die spezielle Art und Weise zu morden, die hier angewandt worden war.
Zwei Informanten der Säpo werden spätnachts in Umeå ermordet, zweihundert Meter von einem Korridor in einem Studentenwohnheim entfernt, in dem unter größter Geheimhaltung fünf Mann der Säpo einquartiert sind. Diese fünf sind der Säpo-Chef und vier seiner Leibwächter, alle mit der theoretischen Möglichkeit zu wissen, wer als Informant für die Säpo arbeitet.
Für Rune Jansson waren dies einfache, stabile Fakten. Keine Logik konnte diese grundlegenden Umstände beiseite schaffen. Er hatte die Strecke zwischen Pedagoggränd und dem Tatort ein paarmal abgeschritten, als er darauf wartete, daß ein Kollege der Polizei von Umeå herauskam und ihm bei der kniffligen Aufgabe half, den Korridor des Studentenwohnheims
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