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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Frage ist falsch gestellt. Aber findest du es nicht lustig zu hören, wie Palmstierna sich blamiert? Das verstehe ich nicht. Uns anderen hat es viel Spaß gemacht.«
    » Ich bin überzeugt, daß wir beide nicht den gleichen Sinn für Humor haben«, sagte der neue Chef sichtlich aus der Fassung gebracht. »Doch jetzt geht es um unsere Verantwortung als das wichtigste Nachrichtenmedium des Landes.«
    »Genau«, bestätigte Erik Ponti. Er machte ein Gesicht, als käme ihm plötzlich ein wundervoller Gedanke. »Und wie hätte es ausgesehen, wenn wir nicht die interessante Nachricht vermittelt hätten, daß die Vorstandsmitglieder der Nordbank den Rückzug antreten mußten? Das war doch in allen Medien eine selbstverständlich große Sache, folglich auch bei uns. Aber wir bekamen das lustigste Interview mit diesem Palmstierna. Findest du nicht auch?«
    »Wir wollen aber hier nicht den eventuellen Unterhaltungswert diskutieren«, sagte der neue Chef desperat. »Es geht um die Frage, was eine seriöse Analyse von Phänomenen der Gesellschaftsstruktur ist und was Populismus. Und dieses aus den siebziger Jahren sattsam bekannte Gefasel, daß die Führungspersönlichkeiten des Landes höhere Gehälter bekommen als die Putzfrauen, ist nicht nur hoffnungslos abgedroschen, sondern auch unseriös.«
    »Das ist es ganz und gar nicht«, wandte Erik Ponti ein. Er spürte, daß gleichzeitig etwas in ihm riß. Sein Entschluß, sich nicht in die Frage einzumischen, war schon gekippt, doch jetzt fühlte er plötzlich eine aggressive Lust, diesem Mann endlich die Meinung zu sagen, es auszufechten und loszuwerden, was er früher oder später doch gesagt hätte.
    »In journalistischer Hinsicht bist du zwar ein Idiot«, fuhr er zuckersüß fort. »Aber das macht nichts, da du nur so eine Führungspersönlichkeit bist und außerdem noch nie als Journalist gearbeitet hast. Deshalb kann man akzeptieren, daß es viele Dinge gibt, die du einfach nicht begreifst. Deshalb will ich es dir mit einfachen Worten beschreiben, aus dem Blickwinkel des allgemeinen Interesses. Die Vorstandsmitglieder der Nordbank haben infolge ihrer groben Unfähigkeit siebzig Milliarden verspielt, das muß doch wohl selbst ein Wirtschaftsreporter zugeben?«
    »Was hat das mit der Sachfrage zu tun?« unterbrach ihn der neue Chef. Er sah sich am Tisch nach Unterstützung um, die er mit Ausnahme der beiden zusätzlich herbeorderten Wirtschaftsreporter in Krawatte und Jackett von niemandem erhielt.
    »Es hat eine ganze Menge mit der Sachfrage zu tun«, fuhr Erik Ponti fort. Er beschloß, die Geschichte jetzt bis zum Ende durchzustehen. Es war zu spät, den Rückzug anzutreten und vieles unausgesprochen zu lassen. »Das schwedische Volk hat die Nordbank gerettet. Wir Steuerzahler sind mit den siebzig Milliarden eingesprungen. Wir haben alle Schulden und schlechten Geschäfte in ein gesondertes Unternehmen überführt, zu Securum. Da plötzlich konnte die Nordbank einen kleinen Gewinn verzeichnen. Und da erst sollten die Vorstandsmitglieder pro Nase rund eine Million dafür erhalten, daß sie zum ersten Mal nicht ein paar Milliarden verspielt hatten. In einer solchen Situation ist es nur gerecht, daß eine breite Öffentlichkeit diese Leute als Parasiten empfindet. Und wir haben den Chef-Parasiten interviewt. Was ist schon dabei?«
    »Ich habe es wirklich verdammt satt, alte, verbitterte und verbrauchte Existenzen aus den Sechzigern anzuhören, die immer wieder nur diese alte Platte auflegen. Du hast ja nicht den leisesten Begriff von dem, worum es hier geht«, sagte der neue Chef. Man merkte ihm seine Wut an, denn er fühlte sich provoziert, den Streit bis zum Ende auszufechten.
    »Ich bin Journalist, du aber nicht«, entgegnete Erik Ponti. »Es ist nicht nur so, daß ich stärker bin als du und besser kämpfen kann, ich bin im Gegensatz zu dir – und das ist sogar der wichtigste Punkt – kompetent, diesen Arbeitsplatz hier auszufüllen. Das bist du nicht.«
    Es wurde vollkommen still im Raum. Niemand sagte etwas. Nur Körpersprache und Blicke ließen vermuten, was jemand dachte. Für das Auge war die Meinung der Anwesenden klar. Es war nicht der neue Chef, der die Sympathien auf seiner Seite hatte. Doch vermutlich fühlte er sich jetzt viel zu stark provoziert und war zu sehr mit Adrenalin gefüllt, um es bemerken zu können.
    »Wenn du dich an diesem Arbeitsplatz nicht zurechtfinden kannst, solltest du dir vielleicht einen neuen suchen«, sagte der neue Chefin einem

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