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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Schweigepflicht und Kollegialität im Kopf herumschwirrten.
    Die Kollegen im Zimmer nickten jedoch freundlich, standen auf und gaben damit zu erkennen, daß sie keine weiteren Fragen stellen wollten. Damit zeigten sie auch, daß Rune Jansson ein von ihnen geachteter Kollege war, ein Bulle, der andere Bullen nicht anlügt. Schweigepflicht hin, Schweigepflicht her. Wo kämen wir hin, wenn Bullen einander nicht mehr die Wahrheit sagen können?
    Wegen der Nordbank würde es Krach geben. Das war nicht nur an der kleinen Tagesordnung für die Montagskonferenz zu sehen, die der neue Chef verteilte, noch deutlicher war es seinem Gesicht anzumerken. Erik Ponti hatte zunächst keinerlei Absicht, sich in die Frage einzumischen, denn hier ging es um einen Bruch zwischen Wirtschafts und Innenressort; das Echo des Tages hielt sich seit einiger Zeit wie alle anderen Medien sogenannte Wirtschaftsreporter, die sich wie Kleinkapitalisten kleideten und wie konservative Nationalökonomen sprachen und überdies höhere Gehälter hatten als andere Reporter. Erik Ponti hatte für diese Art Propagandisten nicht viel übrig, hielt es jedoch für sowohl bequemer als auch klüger, ihre Gegenwart zu ignorieren, statt den Versuch zu machen, mit ihnen zu diskutieren. Sie waren im Journalismus die Geißel der neuen Zeit und ein politisches Phänomen, das untrennbar mit dem Aufschwung der politischen Rechten in den achtziger Jahren gekoppelt war. Wenn die politische Konjunktur drehte, würde in den Medien auch das marktwirtschaftliche Getöse verebben. Doch die Nordbank-Geschichte entbehrte nicht einiger komischer Pointen. Ein paar Wochen zuvor hätte das Echo des Tages fast eine bizarre Geschichte über die Fernsehwerbung der Nordbank gebracht. In diesem Spot traten nämlich die verschiedenen Direktoren der Bank auf, und zwar in Hemdsärmeln, wie es in den Seminaren für Führungskräfte als vertrauensbildende Maßnahme gelehrt wurde. Da die meisten Kollegen vom Echo des Tages , zumindest in der Führungsgruppe, sich zu fein waren, um sich Sendungen des kommerziellen Fernsehens anzusehen, hatte ein Mitarbeiter eine Videokassette der Fernsehwerbung mitgebracht. So war man auf die Idee gekommen; vor Lachen stöhnend hatte man sich angesehen, wie die verschiedenen Direktoren die potentiellen Kunden fixierten und erklärten, für sie, die Direktoren also, sei Vertrauen das Wichtigste, »und genau darum geht es bei der Nordbank«. Anschließend waren auf dem Bildschirm die Unterschriften der Direktoren unter ihren energischen Kinnspitzen und stahlharten Blicken zu sehen gewesen. Komik für Schwachsinnige. Sogar die Idee zu der Reportage war aus einem Scherz entstanden. Jemand hatte gemeint, eine so satanisch boshafte Werbung könne nicht einfach ohne Grund entstehen. In der Werbeagentur hätten sich die Leute halbtot lachen müssen, als sie diesen Spot zusammenschusterten. Es wurde spontan vermutet, daß die Werbefritzen sich einen Scherz erlauben wollten, etwa wie folgt:
    »Verdammt, Jungs, ich hab’s! Wir reden diesen Figuren ein, daß sie am wichtigsten sind. Darauf fliegen die sofort. Etwa so: Was wäre eure schöne Bank, wenn ihr nicht so feine leitende Herren hättet, die sind doch eure wichtigste Ressource. Wir zeigen eure besten Aktiva, nämlich euch selbst! Und dafür knöpfen wir ihnen doppelt soviel ab wie sonst üblich, worauf die Typen sofort fliegen, da sie selbst im Bild zu sehen sind.«
    Etwa so habe es sein müssen, hatten sie frei assoziiert. Man setzte einen Reporter darauf an, der Sache nachzugehen, und da stellte sich heraus, daß die Wahrheit der parodistischen Phantasie gespenstisch nahe kam.
    Bis zum Ende reichte die Vermutung nicht. Unter anderem war es natürlich unmöglich, die Werbeagentur dazu zu bringen, sich öffentlich zu stellen und zu bestätigen, daß das Ganze ein Scherz gewesen sei, den die leitenden Herren der Bank jedoch für blutigen Ernst gehalten hätten. Wie auch immer: Damit kippte die Reportageidee, lebte jedoch natürlich als lustige und nach und nach mühelos zu verbessernde interne Geschichte weiter.
    Folglich war beim Echo des Tages eine gute psychologische Bereitschaft dagewesen, als herauskam, daß der Vorstand der Nordbank beschlossen hatte, seinen Mitgliedern ein paar Jahresgehälter zusätzlich als Belohnung dafür auszuzahlen, daß ein Jahr vergangen war, ohne daß der Vorstand ein paar Milliarden verspielt hatte. Das war eine einfache, geradlinige Geschichte, die auf die Entrüstung des breiten

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