Über jeden Verdacht erhaben
Publikums zielte, eine Geschichte, an der sich übrigens auch alle anderen Medien festgehakt hatten.
In der anschließenden Kampagne hatte das Echo des Tages kaum mehr getan als andere. Das Echo des Tages hatte zumindest mitgeholfen, die Gewerkschaft aufzuhetzen, die damit drohte, ihre Streikfonds von der Nordbank abzuziehen. Es ging um mehrere Milliarden. Das Geld werde anderweitig angelegt, wenn der Vorstand bei seiner Absicht bleibe, ausgerechnet an sich selbst einige Millionen zusätzlich zu zahlen.
Damit ging der Streit schnell zu Ende. Der Vorstand berief eine Pressekonferenz ein und teilte mit, man habe es sich überlegt, obwohl man im Grunde der Ansicht sei, daß das zusätzliche Geld nicht unverdient sei. Es sei nämlich durchaus richtig, Vorstandsmitgliedern von Zeit zu Zeit ein paar Millionen zusätzlich auszuzahlen. Es sei aber auch richtig, es nicht zu tun. Ungefähr so.
Die Pressekonferenz war vom Leiter des Innenressorts beim Echo des Tages und nicht von einem Wirtschaftsredakteur besucht worden, da diese der Meinung waren, das Ganze sei »ein Pseudo-Ereignis« ohne reale Bedeutung. Folglich war das Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden Jacob Palmstierna, unter Journalisten als Schwedens mit weitem Abstand arroganteste Person gehandelt, sowie einem weiteren Vorstandsmitglied nicht von einem untertänig verständnisvollen Wirtschaftsjournalisten geführt worden, sondern von einem normalen Reporter.
Und da die beiden Vorstände sich sofort selbst in die Ecke gestellt hatten, indem sie sagten, sie hätten keine falschen Entscheidungen getroffen, alles sei richtig gewesen, sowohl vorher als auch nachher, wurde es ein sehr lustiges Interview. Es machte immer Spaß, wenn Machthaber sich sofort in die Klemme logen.
Rein journalistisch war die Sache nichts Besonderes, eher so etwas wie eine kleine Aufmunterung im Alltagstrott. Es war lustig zu hören, wie dieser Palmstierna zu dem Reporter zu sprechen versuchte, als säße er dabei zu Pferde. Man hörte , wie der Reporter dem Interviewten in die Nasenlöcher starren mußte statt in dessen Augen.
Falls die Angelegenheit an diesem Montagmorgen nicht zum Gegenstand einer Diskussion bei der Konferenz der Führungsgruppe werden sollte, wäre sie schon vergessen gewesen. Erik Ponti nahm aber an, daß die Wirtschaftsredakteure zu dem neuen Chef gegangen waren und ihm vorgejammert hatten, sie, die Wirtschaftsreporter, liefen Gefahr, als Vertreter des Echos künftig weniger freundlich behandelt zu werden, wenn nicht sie, sondern andere Journalisten künftig den Umgang mit Vorstandsmitgliedern pflegten.
Tatsächlich begann der neue Chef von unseriösem Journalismus zu faseln, von Populismus und der Notwendigkeit, qualifizierte Führungspersönlichkeiten im Land zu halten. Wenn Vorstandsmitglieder nicht mehr genügend bezahlt bekämen, werde die Nation nämlich untergehen, weil die Vorstände dann sofort auf so etwas wie einem internationalen Markt verschwinden würden, auf dem sie angeblich weit höhere Gehälter erzielen könnten. Deshalb sei es von einem führenden und seriösen Medium wie dem Echo des Tages unverantwortlich, gegen die Führung des Landes zu hetzen, und dies um so mehr, als grob demagogische Mittel angewandt worden seien, nämlich die Erwähnung der Gehälter dieser Männer. Je höher die Gehälter der Vorstände, um so besser ergehe es schließlich dem Land, da ihre Gehälter und Boni der Maßstab für den Erfolg ihrer Führungsarbeit seien.
Erik Ponti lachte lauf auf, lehnte sich demonstrativ zurück und streckte unter dem Tisch die Beine aus, so daß er zusammensank und in fast liegender Stellung hängen blieb. Das brachte natürlich genau wie beabsichtigt den neuen Chef aus der Fassung.
»Oder hast du möglicherweise eine alternative ökonomische Theorie anzubieten, Erik?« fragte der neue Chef süßsauer.
»Volkswirtschaft dürfte wohl kaum deine starke Seite sein«, fügte er mit einem aufmunternden Seitenblick zu den beiden eigens herbeibeorderten Wirtschaftsreportern hinzu.
»Nein, völlig richtig«, sagte Erik Ponti, »ich beschäftige mich ja mit Außenpolitik. Mir ist nur gerade eingefallen, daß man in Rußland die Gehälter aller Führungskräfte verdoppeln sollte. Dann müßte das wirtschaftliche Chaos des Landes urplötzlich wie durch Zauberei zu Ende gehen.«
»Diesen Vergleich halte ich kaum für relevant«, entgegnete der neue Chef unsicher.
»Aber nein, natürlich nicht«, entgegnete Erik Ponti ausdruckslos. »Die
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