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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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habe inzwischen an mehreren Orten Hausdurchsuchungen vorgenommen und dabei eindeutige Beweise in Form bestimmter technischer Ausrüstungsgegenstände et cetera gefunden. Die drei Verdächtigen seien Angestellte des Außen und des Industrieministeriums sowie der Säpo. Alle drei hätten für dieselbe fremde Macht gearbeitet. Ein Haftprüfungstermin stehe unmittelbar bevor. Für nähere Auskünfte wurde entweder an Oberstaatsanwalt Jan Danielsson oder an die Kanzlei des Ministerpräsidenten verwiesen.
    Das war alles.
    Die beiden genannten Quellen hatten nichts zu sagen. Beim Oberstaatsanwalt wurde überhaupt gar nicht erst abgenommen, und in der Kanzlei des Ministerpräsidenten gab es nur den knappen Bescheid, daß bis auf weiteres kein Kommentar zu erwarten sei.
    Beim Echo des Tages gab es die vielleicht einzige Redaktion im Land, in der jemand auf den Gedanken kam, die Kanzlei des Ministerpräsidenten und den Oberstaatsanwalt zu umgehen und den Säpo-Chef direkt anzurufen.
    Erik Ponti hatte gerade vollauf mit der Türkei zu tun. Es war der erste Tag der kurdischen Neujahrsfeiern, des newruz . Die Türkei war mit fünfunddreißigtausend Mann in den Irak eingedrungen, um die Guerilleros der kurdischen PKK zu vernichten, vermutlich ohne Erfolgsaussicht, da die Türken die Entsendung ihrer Truppen schon seit Wochen angekündigt hatten. In Istanbul kam es zu schweren Zusammenstößen zwischen den Alauiten einerseits, einer modernen Richtung innerhalb des Islam, und Polizei und Militär andererseits. Die schwedische Fußballnationalmannschaft sollte ein angeblich wichtiges Spiel in Istanbul absolvieren, und folglich gab es einen schwedischen Blickwinkel auf den Bürgerkrieg in der Türkei, der damit interessanter wurde, als er ohne Länderspiel gewesen wäre.
    Das kurdische Neujahrsfest hatte wegen der zwei Kurden, die vor kurzem in Stockholm ermordet worden waren, noch einen besonderen schwedischen Aspekt erhalten. Die Polizei hatte zusätzliche Kräfte mobilisiert, um »Unruhen zu vermeiden«, das heißt, sie zu provozieren.
    Es gab jedoch nichts dagegen einzuwenden, daß Erik Ponti das Telefonat mit der Säpo führte. Er rief vom Auslandsplatz im Bereitschaftsraum an, während er mit einem Hörer am anderen Ohr darauf wartete, eine Verbindung mit dem Reporter in Istanbul zu erhalten. Er wählte die Direktnummer, bekam wie erwartet die bekannte Sekretärinnenstimme an den Apparat und äußerte ein wenig überstürzt den Wunsch, ein Gespräch mit dem Säpo-Chef zu führen, wann immer es diesem im Lauf des Tages passe. Die Sekretärin antwortete verbindlich, der Generaldirektor könne einen Termin um Punkt 14.00 Uhr anbieten. Dann sei der Vertreter vom Echo des Tages willkommen. Weitere Termine seien leider unmöglich, da der Generaldirektor im Moment sehr beschäftigt sei.
    Erik Ponti bedankte sich verblüfft für diese Nachricht und legte auf. Gleichzeitig trompetete der Osteuropa-Korrespondent laut in sein Ohr, jetzt wisse er alles, nur nichts über den Ausgang des Länderspiels. Nachdem er seinen pessimistischen Bericht in munterem Tonfall verlesen hatte – er sagte für das Fußballspiel Gewalttätigkeiten voraus –, nutzte er die Gelegenheit, Erik Ponti zu einem Fest nach Wien einzuladen, denn sein sechzigster Geburtstag stehe bevor.
    Erik Ponti hatte etwas dagegen einzuwenden, daß Staffan Heimerson Krieg und andere schreckliche Dinge immer wieder in diesem fröhlichen Tonfall prophezeite. Im Augenblick behauptete er, es werde in Kroatien Krieg geben.
    Erik Ponti beneidete seinen älteren Kollegen jedoch um dessen ungebrochenen Enthusiasmus, die Fähigkeit, sich plötzlich ein Fahrrad zu leihen und dreißig Kilometer in den Dschungel zu fahren, nur um herauszufinden, ob die Tamilen-Tiger vielleicht da waren. Um sie dann tatsächlich zu finden, am Leben zu bleiben, ihren Anführer zu treffen und ein gutes Interview zu erhalten. Und, was vielleicht am wichtigsten war, den Bericht und das Interview rechtzeitig nach Hause zu bekommen. Im Alter von einundfünfzig Jahren – es waren jetzt noch neun Jahre bis zu seinem sechzigsten Geburtstag – hegte Erik Ponti die geheime Furcht, nicht mehr so gut zu sein wie früher. Er hatte das Gefühl, alles schon mal gehört zu haben, daß alles, was jemand von den jungen Leuten in der Redaktion fröhlich als gute Idee vorbrachte, schon längst einmal von ihm vorgebracht worden war; schlimmstenfalls sagte er dies sogar.
    Doch jetzt ging es in der Sache um eine einfache, aber

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