Über jeden Verdacht erhaben
könntest. Ich habe im Augenblick reichlich mit Istanbul zu tun«, sagte Erik Ponti mit bemühter Ungezwungenheit, nachdem sie sich gesetzt hatten.
»Das hört sich ja wirklich interessant an. Was will er denn sagen, weißt du das?« fragte der Leiter des Inlandsressorts merklich aufgemuntert.
»Nein, das weiß ich nicht, aber ich weiß, daß wir keinen Anfänger zu ihm schicken können. Er hat nämlich so eine Art, auf Fragen verdammt direkt zu antworten. Er gibt dir aber keinerlei Hinweis auf das, was du fragen sollst«, sagte Erik Ponti und sah sich nach einem Papierkorb um, in den er seinen Schnupftabak werfen konnte. Es gab keinen.
»Hast du eine Ahnung, was er sagen will ?« fragte der Leiter des Inlandsressorts interessiert.
»Wir wissen folgendes«, sagte Erik Ponti und hob die Hände in einer Geste, die alle Redaktionsmitglieder als sehr italienisch einschätzten. »Zwei Ministerialbeamte und ein weiterer Mann sind heute morgen als Spione festgenommen worden. Es hat eine riesige Aktion gegeben. Die drei sind vorläufig festgenommen. Alle sagen kein Kommentar , und der Säpo-Chef bietet ausgerechnet uns ein Exklusivinterview an.«
»Warum gerade uns?« fragte Thomas Hempel verwirrt, aber mit einem zunehmenden Eifer, der ihm sehr wohl anzusehen war.
»Weil er das Fernsehen nicht mag, könnte ich mir vorstellen, und weil er oft gut damit gefahren ist, nur uns ein ausführliches Interview zu geben und alle anderen dann sausen zu lassen. Na ja, du weißt es ja.«
»Dann ist das ja eine goldene Gelegenheit«, stellte der Leiter des Inlandsressorts fest.
»Eben, eben«, bestätigte Erik Ponti.
»Man stellt ihm direkte Fragen? Und fragt dann weiter, bis man rausgeschmissen wird?«
»Ungefähr so.«
»Er macht es nicht so wie unsere lieben Freunde, die Politiker, daß man fragt, wie spät es sei, und dann antworten sie nur das, was sie sagen wollen, und halten über alles andere die Schnauze?«
»Nein, so ist er nicht. Er antwortet auf das, was du fragst, und nichts sonst.«
»Bemerkenswert«, sagte der Leiter des Inlandsressort. »Sagtest du 14.00 Uhr?«
»Ja. Und was du auch tust, komm nicht zu spät. Ich bin dir verdammt dankbar, daß du mir aus dieser Klemme geholfen hast.«
»Gar keine Ursache«, sagte der Leiter des Inlandsressorts mit einem vorsichtigen Lächeln.
Erik Ponti verließ das Zimmer hochzufrieden. Und der Leiter des Inlandsressorts blieb hochzufrieden eine Weile sitzen, ohne sich von der Stelle zu rühren. Dann nahm er sich einen Notizblock und begann, seine Fragen zu skizzieren.
Während des restlichen Nachmittags spürte Erik Ponti so etwas wie große Erwartung und Arbeitslust. Er ging schnell bei der Leiterin des Allgemeinen Ressorts vorbei, die sich auch um einen Zugang zur Säpo-Muschel bemühte, und erzählte ihr, daß Thomas schon unterwegs sei und daß sie das ganze Problem mit einem vermutlich total exklusiven Interview mit dem Säpo-Chef regeln würden, das einzufädeln ihm mit etwas Glück gelungen sei, wie er bescheiden eingestand.
Es wurde ein Exklusivinterview. Denn genau wie Erik Ponti geahnt hatte, hatte Carl keinerlei Lust, im Fernsehen aufzutreten; er hatte schlechte Erfahrungen mit dem Fernsehen gemacht und betrachtete es als ein Medium, das Menschen gerade in ihren schwierigsten Momenten so gnadenlos verfolgte wie die Blätter der Boulevardpresse.
Er war jedoch erstaunt, als das Echo des Tages sich anmeldete. Es erwies sich, daß nicht Erik Ponti gekommen war, sondern ein Mann, den er erst an der leicht verschnupften Stimme wiedererkannte.
Er ließ sich jedoch nichts anmerken, bat Thomas Hempel, sich irgendwo auf der Sitzgruppe niederzulassen, wo immer der Ton am besten sei, und dann solle er einfach seine Fragen stellen. Er murmelte, er wolle nicht unhöflich sein, setze aber voraus, daß sie Kaffee und ähnliche Rituale einfach beiseite lassen könnten. Das schien dem unerwarteten Reporter sehr recht zu sein. Er hatte sein Tonbandgerät und das Mikro in zwanzig Sekunden fertig und sah Carl nur fragend an, damit dieser ihm grünes Licht gab. Carl nickte übertrieben deutlich und räusperte sich.
»Welche Personen habt ihr heute als der Spionage verdächtig festgenommen?« lautete die erste Frage.
»Es sind drei schwedische Staatsbürger. Deren Identität ist bis auf weiteres geheim. Einer davon war jedoch, wie wir schon mitgeteilt hatten, im Außenministerium angestellt, einer im Industrieministerium, und der dritte war, wie ich jetzt mitteilen kann, hier
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