Über jeden Verdacht erhaben
ein Wahlkampf für ihn selbst als neuen Chef. Doch erstens erstrebte er diese Position nicht, denn er wußte besser als jeder andere, wie illusorisch die Macht von Vorgesetzten ist, und dies um so mehr, je weiter sie vom journalistischen Arbeitsfeld entfernt ist. Und zweitens hatte er einen modernen, geradezu genialen schwedischen Fluchtweg ersonnen. Er wußte genau, wie er sich aus dieser Chef-Falle befreien konnte, falls sie sich plötzlich vor ihm auftat.
Ein paar Jahre als Korrespondent in Rom hätte er gern akzeptiert. Das wäre glänzend gewesen. Seine Frau hätte ihr Forschungsvorhaben sehr gut auch von Rom aus weiterverfolgen können. Er selbst hätte endlich sein Italienisch wieder auf Vordermann bringen können. Und außerdem hätte ein solcher Aufenthalt auch seiner Allgemeinbildung gutgetan. Und nicht zuletzt hätte es gutes Essen gegeben – mit französischem Wein.
Das Echo des Tages hatte jedoch seit vielen Jahren einen freien Mitarbeiter in Rom, der die Berichterstattung aus Italien besorgte und es überdies sehr gut machte. Es wäre weder vernünftig noch anständig gewesen, den Job dieses Freiberuflers an sich zu reißen.
Osteuropa wurde bis auf weiteres von Staffan Heimerson in einem eisernen Plaudergriff gehalten. Paris wäre vielleicht eine Alternative; sein Französisch war gut genug. Moskau war zu deprimierend, und außerdem sprach seine Frau kein Wort Russisch. Dort würde sie isoliert in irgendeinem Ausländerghetto mit verstopften Abflußleitungen und amerikanischen Weinen leben.
Also mußte er sich dort festklammern, wo er sich befand, und so schlecht war das übrigens auch nicht. Er hatte im Lauf der Jahre ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Journalismus und Chefallüren gefunden, an das er zumindest selbst glaubte.
Am selben Nachmittag rief die Sekretärin des Intendanten an und bestellte Erik Ponti mit einer Selbstverständlichkeit zu seinem höchsten Chef, als wäre Sveriges Radio eine militärische Organisation. Erik Ponti sah keinen Anlaß, daraus eine große Sache zu machen, denn dazu war schon seine Neugier viel zu groß. Wenn er zum Intendanten gerufen wurde, stand die Entscheidung kurz bevor. Und im Augenblick hatte er das Gefühl, nicht so ohne weiteres gefeuert werden zu können, und außerdem war er kampfeslustig, wenn auch nicht allzusehr. Es konnte schließlich nur um eins gehen: Sein oder Nichtsein, und zwar für ihn selbst oder den neuen Echo-Chef.
Er fühlte sich fast ausgelassen, als er durch die Korridore schlenderte. Über den Intendanten wußte er nur drei wichtige Dinge. Erstens, daß er einmal ein richtiger Journalist gewesen war, und zwar kein schlechter, unter anderem Korrespondent in New York. Zweitens, daß er geldgierig war und bei Sveriges Radio sich als erster ein Phantasiegehalt und einen sozialen Fallschirm gesichert hatte, nämlich aufgrund der hohen Risiken, die hochbezahlte Männer offenbar eingehen mußten – da sie ein niedrigeres Gehalt riskierten, wenn sie ihre Arbeit vernachlässigten. Drittens, daß der Mann mit Übergewicht zu kämpfen hatte.
Das waren zwei gute und eine weniger gute Voraussetzung für ihre Begegnung. Dennoch war es eine unerhört viel bessere Ausgangssituation, als wenn es ein Chef neuen Typus gewesen wäre, etwa vierunddreißig Jahre alt, total unwissend, was den Journalismus anging, und mit einem Examen der Handelshochschule. Es konnte also durchaus gutgehen.
Der Intendant spielte zunächst kurz den Vorgesetzten, ließ ihn warten, teilte über seinen Kopf hinweg einer Sekretärin mit, er müsse »in New York anrufen«, und sonderte noch weitere Sprüche dieser Art ab. Erik Ponti wartete fast amüsiert, daß sein höchster Chef endlich damit aufhörte, sich auf die Brust zu trommeln, und endlich zur Sache kam.
»Nun, wie ich höre, habt ihr es beim Echo in der letzten Zeit nicht ganz leicht gehabt«, begann der Intendant, als er sich schwer wie ein Walroß in einen der knarrenden Ledersessel warf; sein Chefzimmer war sehr »männlich« eingerichtet.
»Nicht so schlimm«, entgegnete Erik Ponti und wahrte sorgsam die Maske. »In der letzten Woche ist es eigentlich recht gut gelaufen. Stimmt es übrigens, daß er sich um den Chefposten beim Staatlichen Kulturrat bemüht?«
Erik Ponti wollte dies eher als Witz gewertet wissen und war bereit, es auch schnell zuzugeben. Doch der Intendant lächelte nicht.
»Wo hast du das gehört?« fragte er statt dessen mißtrauisch.
»Na ja, du weißt schon«, erwiderte Erik Ponti
Weitere Kostenlose Bücher