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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Vorzug geben, die sich ausschließlich aus den Kreisen wild entschlossener Veganer rekrutieren, oder hättet ihr lieber Agenten, die bei der Säpo arbeiten und in irgendwelchen Ministerien? Damit will ich grundsätzlich nichts gegen Veganer gesagt haben, das war nur ein Beispiel.«
    Das Verblüffende an Carls Darstellung war nicht nur die amerikanisierte Demagogie, die an durchtriebene Politiker erinnerte, sondern auch seine gute Laune. Er schien sich ungekünstelt zu freuen, dort auf diesem abgenutzten roten Ledersessel sitzen zu können, auf dem als letzter prominenter Gast Carl Bildt gesessen hatte, kurz bevor er die Wahl verlor.
    »Laßt mich jetzt zur Frage des schwedischen Terrorismus kommen«, fuhr Carl ironisch fort. »Ich werde später gern Fragen nach der russischen Spionage beantworten, doch jetzt wenden wir uns unserem schwedischen Terrorismus zu. Gegenwärtig scheint der harte Kern des schwedischen Terrorismus aus acht Personen zu bestehen, die gegen Milchwagen sind. Jedenfalls haben sie mehrere davon in Brand gesetzt. Ferner gibt es eine Person, die in einem Zoo in Norrland Polarfüchse freigelassen hat, mit der Folge, daß die Polarfüchse erschossen werden mußten, während man den Mann vorläufig in Gewahrsam nahm. Außerdem haben wir einige wildgewordene Tierfreunde in Skåne, die eine große Zahl von Nerzen freigelassen oder sie mit Lackfarbe besprüht haben, um den kommerziellen Wert der Pelze zu vernichten. Mit dem Lack hat man allerdings auch das zerstört, was den Nerzen wohl mehr bedeutete, nämlich ihren Schutz vor Kälte. Die so lackierten Nerze sind also gestorben. Die freigelassenen Nerze dürften inzwischen mehrere zehntausend junge Enten verspeist haben und wüten überdies in einigen südschwedischen Krebsteichen. Die fraglichen ›Tierfreunde‹ sind jedoch immer noch auf freiem Fuß. Ferner könnte man noch ein Dutzend Lümmel in Västerås in die Kategorie Terroristen einreihen, aber da bekommen wir schon Schwierigkeiten mit der Terminologie. Den Vorschriften der Säpo zufolge ist hier nämlich von PMG die Rede, das heißt von politisch motivierter Gewalt. Möglicherweise kann man die jungen Leute in Västerås in diese Definition hineinpressen, da sie vor der Abstimmung über den EU- Beitritt mehrere Wahlbüros der Ja-Seite in Brand gesteckt haben. Anschließend haben sie allerdings eine stillgelegte Meierei besetzt, die anrückenden Streifenwagen mit Zwillen beschossen und sich dann selbst ausgeräuchert. Somit konnten sie in Gewahrsam genommen und ihrer Bestrafung zugeführt werden. Jedoch – und in diesem Punkt kann ich verstehen, daß linksgerichtete junge Leute in Västerås sich tief gekränkt fühlen oder zumindest empört über die Repression oder die kryptofaschistischen Tendenzen des kapitalistischen Staates – zählen Skinheads nach der Definition der Säpo nicht zu den Terroristen. Gewalt von Skinheads hat zwar zu mehreren Todesopfern geführt, meist dadurch, daß Menschen von einem betrunkenen Mob zu Tode getreten wurden. Man hat jedoch in Frage gestellt, daß Skinheads überhaupt in der Lage sind, ihre Gewalttaten politisch zu definieren, und damit werden sie zu gewöhnlichen Verbrechern reduziert. Somit – und damit nähere ich mich jetzt dem Hauptpunkt meiner Argumentation – dürften diese Formen des schwedischen Terrorismus eher eine Angelegenheit für die Ordnungs und die Kriminalpolizei sein statt für den Sicherheitsdienst des Landes. Und jetzt zu dem Hauptpunkt. Stellt euch mein Erstaunen vor, als ich bei Dienstantritt als Chef der Säpo entdeckte, daß die Beamten, die für Terrorismusbekämpfung eingesetzt wurden, zu den zwei bei weitem größten Einheiten der Organisation gehörten. Aber ohne daß es ihnen gelungen wäre, auch nur einen einzigen Veganer oder Milchwagengegner aufzuspüren oder gar zu ergreifen! Folglich war ich der Meinung, daß da bestimmte organisatorische Veränderungen notwendig seien.«
    Carl lächelte fröhlich und legte erneut eine Pause ein, damit diese letzte Überlegung sich den Zuhörern selbst erklärte. Er trank einen Schluck Wasser und heimste neues Gelächter und Applaus ein. Was immer das Publikum von der dramatisch tragischen Person erwartet hatte, die den Spitznamen Schwarzer Admiral trug – dieser war schon in der Presse bekannt geworden –, jetzt bekam es jedenfalls nichts davon zu sehen.
    »Aber was ist dann mit den Ausländern? Sind denn nicht Ausländer Terroristen? Doch, das kann schon sein. Das Problem ist nur,

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