Über jeden Verdacht erhaben
Die Konsequenzen dieser Tatsache waren ja, daß es tatsächlich eine Säpo-Spur geben konnte, wie absonderlich diese Behauptung auch auf den ersten Blick wirken mochte. Denn wer außerhalb der Säpo konnte einen so phänomenalen Überblick darüber haben, welche Personen, von Umeå bis Lund, als heimliche Informanten für die Säpo arbeiteten? Möglicherweise Israel, weil alle ermordeten Informanten Verbindungen zum Nahen Osten und damit zum israelischen Interessengebiet hatten. Die schwedische Säpo hatte sich nachweislich ein paarmal erstaunlich nachlässig im Umgang mit Israelis gezeigt. So hatte sie gelegentlich israelische Sicherheitspolizei an schwedischen Vernehmungen teilnehmen lassen und sich ähnliche Schnitzer erlaubt. Aber waren sie tatsächlich so naiv, daß sie ihre Quellen einem konkurrierenden Sicherheitsdienst preisgaben?
Israel besaß natürlich das Know-how, um Leute auf genau diese technisch so geschickte Weise zu ermorden, wie es in Schweden geschehen war. Möglicherweise hatten die Israelis auch Möglichkeiten, herauszufinden, wer die Informanten waren.
Aber das Motiv? Weshalb sollte man Informanten umbringen, die indirekt für einen selbst arbeiteten? Erik Ponti war davon überzeugt, daß alles, was die schwedische Sicherheitspolizei über Araber erfuhr, immer an Israel weiterbefördert wurde.
Bis jetzt. Denn jetzt hatte diese Praxis mit dem Amtsantritt von Carl natürlich ein abruptes Ende gefunden.
Da war etwas, was wie ein Motiv aussehen konnte: Wenn wir deren Informationen nicht kriegen, kriegt ihr sie auch nicht. Genügt es, daß wir die Hälfte von ihnen beseitigen, damit ihr die Botschaft versteht? Oder zwei Drittel?
Erik Ponti entdeckte mit plötzlicher Verlegenheit, daß er jetzt dabei war, sich in einen Privatfahnder zu verwandeln, der auf dem Hintern saß und sich ausdachte , wie es in der Welt aussieht. An und für sich war das eine gute Lektion. Er hatte sich manchmal gefragt, wie es in psychologischer Hinsicht ablief, und jetzt hatte er das Phänomen mit peinlicher Deutlichkeit an sich selbst illustriert.
Er ließ das Band zurücklaufen, vorbei an seinen Verschwörungstheorien. Dennoch blieben einige Fakten erhalten. Die sechs Mordopfer wurden als Säpo-Agenten bloßgestellt. In einem Fall wußte er selbst, daß es den Tatsachen entsprach. Und ein Polizist aus Umeå hatte ganz offiziell bestätigt, daß dies das Wissen der schwedischen Polizei in dieser Frage sei.
Es war eine logische Tatsache, daß normalerweise niemand außerhalb der Säpo wissen konnte, wer Säpo-Informant war. Und sechs ermordete Informanten, die nacheinander umgebracht worden waren, waren kein Zufall.
Insoweit entsprach es den Tatsachen, war interessant und sollte auch so veröffentlicht werden. Es blieb nur noch eins zu tun. Nach einigem Suchen fand er die beiden jungen Kriminalreporter, die er bei der Konferenz abgefertigt hatte. Sie saßen draußen im Raucherkäfig unter den Fahrstühlen und maulten, vermutlich über verstockte ältere Kollegen.
»Hallo«, sagte er, als er eintrat und die Glastür hinter sich zumachte. »Arbeitet ihr nicht an der Säpo-Spur?«
Sie glotzten ihn nur wütend an, was er gut verstehen konnte.
»Das solltet ihr aber tun«, sagte er und warf ihnen die Doppelseite von Expressen mit den Mordopfern auf den Tisch.
»Der da war Säpo-Agent, das weiß ich. Und hier unten im Lauftext äußert sich ein Bulle aus Umeå, der mit Namen und Bild alles bestätigt.«
»Weißt du es genau?« sagte einer der jüngeren Kollegen, dessen Gesicht sich plötzlich aufhellte.
»Ja, leider«, sagte Erik Ponti ein wenig verlegen. »Ihr müßt schon entschuldigen, aber ich hatte einen ziemlich harten Vormittag hinter mir. Ich habe es erst nach der Konferenz gesehen.«
»Ja, aber wir haben doch gesagt, daß Expressen… «, sagte der jüngere der beiden.
»Danke, ich weiß!« unterbrach ihn Erik Ponti und hielt abwehrend eine Hand hoch. »Ihr habt gesagt, es hätte in Expressen gestanden, das stimmt. Aber in neunundneunzig von hundert Fällen ist dieses Blatt ein reiner Witz, wie ihr doch immerhin wissen müßtet. Das hier war zufällig der hundertste Fall. Die Scheißkerle haben recht. Das kann ich nur neidlos zugeben. Wir müssen uns dem Vorredner anschließen, auch das muß neidlos anerkannt werden.«
»Wie denn?« fragten beide. Sie sprachen durcheinander und drückten dann gleichzeitig ihre Zigaretten aus, so daß sie den rührenden Eindruck eines unzertrennlichen Gespanns
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