Über jeden Verdacht erhaben
Berichte: soundso viele Personen ausgewiesen, soundso viele Häuser auf besetztem Gebiet in Israel gesprengt, soundso viele Menschen gefoltert.
Die Liste von Saadanis Todfeinden stieg damit auf fast tausend Personen, abgesehen von den beiden Staaten.
»Wasser, kaltes Wasser«, dachte Rune Jansson verzweifelt.
»Was immer palästinensische Flüchtlinge in den Lagern des Libanon oder den besetzten Gebieten in Israel von Saadani gehalten haben mögen, können sie doch nicht in eiskaltem Wasser unter Eisschollen schwimmen, während ein Schneesturm tobt.«
Damit war er wieder bei den beiden Staaten. Er stellte sarkastisch fest, daß israelische Froschmänner zwar tüchtig seien, aber Eis und Schneesturm gehörten wohl kaum zu ihrem gewohnten Umfeld.
Also Schweden, also die Säpo. Also wieder alles von vorn.
Er klappte resigniert die Mappe mit den Dokumenten und Computerausdrucken zu, die ihm im Grunde nur mitgeteilt hatten, daß rund tausend Personen sowie zwei Staaten gute Motive hatten, Saadani zu ermorden. Und daß Carsten Johnsén die Möglichkeit gehabt hatte, sich Erkenntnisse über Saadani zu verschaffen. Dieser Fallschirmjäger und Karatekämpfer. Aber wie gut verstand er sich auf Schneestürme und Eisschollen?
Rune Jansson hatte das Gefühl, in Fakten zu ertrinken. Es gefiel ihm nicht, als Ermittler mit zu vielen ungedeuteten Tatsachen dazusitzen, so daß er anfangen mußte, Vermutungen anzustellen und »zu raten«, wie es hätte sein können.
Ohne übertriebenen Optimismus nahm er sich die nächste Mappe vor, in der es um das Mordopfer in Lund ging, Ali Hussein Fadlallah. Diesmal begann er, durch den Schaden seiner soeben durchlittenen Verwirrung klug geworden, am Anfang der Akte. Hamiltons Zusammenstellungen waren nicht wie normale Ermittlungsergebnisse oder Obduktionsprotokolle, sondern man las sie tunlichst in der korrekten Abfolge.
Ali Hussein Fadlallah war bei seiner Ankunft in Schweden 1982 von der Sektion Malmö der Säpo angeworben worden. Damals war Israel in den Teil des Libanon eingefallen, in dem seine Familie wohnte. Er gehörte einer Schiiten-Sekte an und hatte um diese Zeit, bevor der Iran in den Augen der westlichen Welt zum Großen Satan wurde, bei der Säpo keine große Rolle gespielt. Er hatte ganz einfach nur versprochen, Informant zu werden, wofür man ihn ins Land gelassen hatte. Er hatte sogar einen Job an einem Gemüsestand auf dem Möllevångs-Markt in Malmö bekommen. Er war homosexuell, und deshalb hatte die Frage, ob Ehefrau und Kinder nachkommen könnten, nie zur Debatte gestanden.
Er hatte also lange in Schweden gelebt, ohne als Agent für die Säpo tätig zu werden. Doch als der Iran und der Schiiten-Islam immer interessanter wurden, hatte er sich selbst bei der Säpo in Malmö gemeldet und Arbeit und Bezahlung verlangt. Beides war ihm gewährt worden. Es folgte ein steter Strom von Denunziationen, die dazu führten, daß die Säpo eine bestimmte Zahl von Personen aus dem Land werfen und einer noch größeren Zahl die schwedische Staatsbürgerschaft verweigern konnte. Damit waren die Terroristengesetze weiterhin für sie gültig. Und so war es weiterhin möglich, von Zeit zu Zeit weitere Personen des Landes zu verweisen.
Das alles war zunächst in kursiver Schrift in kurzen Abschnitten dargestellt. Namen und detaillierte Beschreibungen fehlten. Bis zum letzten Fall.
Der letzte Fall in Ali Husseins Karriere als Säpo-Informant war für ihn selbst wie für die Säpo ein höchst aufsehenerregender Erfolg geworden, da man die Zustimmung der neuen sozialdemokratischen Regierung zu einem Ausweisungsbeschluß gewonnen hatte. Der Grund, weshalb man beim Terrordezernat der Säpo der Sache solche Bedeutung beimaß, war, daß man nach dem Regierungswechsel eine gewisse Besorgnis empfunden hatte; die konservative Justizministerin hatte sich niemals eingemischt, wenn es um die Ausweisungskandidaten ging, die ihr die Säpo vorlegte. Sie hatte im Gegenteil damit geprahlt, niemals einen Ausweisungsbeschluß gestoppt zu haben.
Doch jetzt hatte man also mit einiger Erleichterung feststellen können, daß der Regierungswechsel keinen weicheren Kurs gegenüber Terrorismusverdächtigen bedeutete, wie manche bei der Firma schon befürchtet hatten.
Und der Mann, den man auf diese Weise hatte ausweisen können, ein gewisser Muhammed Hussein Bermanyi, war in gewisser Weise ein Fang gewesen, da man ihn schon lange verdächtigt hatte, ohne ihm etwas Konkretes nachweisen zu können. Da man sein
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