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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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nicht enthüllt werden könnten. Der Verdächtige sei Terrorist mit Verbindungen zur Hisbollah im Libanon, und »… wenn im Hinblick auf das, was über die frühere Tätigkeit des Ausländers und sonstige Umstände bekannt ist, befürchtet werden muß, daß er Straftaten begehen oder an ihnen mitwirken wird, die Gewalt, Drohung oder Zwang zu politischen Zwecken umfassen« – die tragende Formulierung im Terroristengesetz –, »ist er des Landes zu verweisen«.
    Es war mit anderen Worten ein normaler sogenannter Terroristenprozeß. Aus dem Justizministerium waren zwei Beobachter anwesend, doch auch sie durften die Beweise nicht einsehen, was ihnen im übrigen nichts auszumachen schien. Kurz darauf entschied die Regierung, den Mann auszuweisen. Danach war über das weitere Schicksal des Muhammed Hussein Bermanyi im Libanon nichts bekannt. Er schien von der Bildfläche verschwunden zu sein. Die Frage, was man von schwedischer Seite mit seinen vier Kindern und seiner Ehefrau tun sollte, war noch nicht geklärt.
    Dieser Terroristenprozeß mit dem nachfolgenden schnellen Ausweisungsbeschluß fiel in die ersten Tage nach Hamiltons Amtsantritt. Er fand erst sehr viel später Zeit, sich in die Angelegenheit zu vertiefen. Erst da war die Neuübersetzung des entscheidenden »Beweisstücks« veranlaßt worden.
    Die interne Untersuchung der Angelegenheit hatte bei der Säpo jedoch konkrete Folgen: Drei Personen waren entlassen worden, zwei in Malmö und ein Mitarbeiter des Terroristendezernats in Stockholm. Ein arabischer Dolmetscher hatte eine letzte Abmahnung erhalten. Der Agent Ali Hussein Fadlallah war anschließend abgewickelt worden und hatte keine weiteren Aufträge der Säpo erhalten. Die Teile des Säpo-Archivs, in denen Angaben des Agenten Ali Hussein Fadlallah gespeichert wurden, waren gründlich gesäubert worden.
    In einem kurzen, zusammenfassenden Kommentar schrieb Hamilton, daß man mit Fug und Recht davon ausgehen könne, daß nichts in den Angaben des Agenten Ali Hussein Fadlallah als glaubwürdig angesehen werden könne. Jedoch hatte das Verhalten des früheren Säpo-Agenten recht umfassende praktische Folgen gehabt. Rund zehn Männer, von denen alle mit einer Ausnahme in Schweden Familie hatten, waren ausgewiesen worden. Ihren Familienangehörigen war die schwedische Staatsangehörigkeit verweigert worden, weshalb sie weiter unter die Terroristengesetze fielen.
    Es gab kein legales Instrument, das sich gegen den einfallsreichen Agenten einsetzen ließ. Selbst wenn man jetzt davon ausgehen konnte, daß er der Säpo gegen Bezahlung zahlreiche unwahre Angaben gemacht hatte, konnte man ihn nicht einmal wegen Betruges anklagen, da er in allem, was seine Tätigkeit als Agent betraf, Immunität genoß.
    Die Amtsinhaber bei der Säpo, die den Agenten ernst genommen hatten, konnte man zwar kritisieren oder noch lieber entlassen. Ein klar umrissenes Verbrechen hatten sie jedoch nicht begangen, da es im schwedischen Recht großzügig bemessenen Raum für schwere Dummheit gibt, bevor man die Grenze zum Amtsmißbrauch oder zum Dienstvergehen überschreitet. In der Geschichte waren also alle unschuldig, sogar der ausgewiesene Muhammed Hussein Bermanyi.
    Was schließlich den Mord an dem Agenten Ali Hussein Fadlallah betraf, ließ sich leicht feststellen, daß rund zehn libanesische Familien in Malmö ein theoretisches Motiv haben konnten, ihn zu ermorden – vorausgesetzt, sie hatten von seiner Informantentätigkeit Kenntnis gehabt.
    Hingegen schien es nicht sehr wahrscheinlich zu sein, daß eine fremde Macht irgendein Interesse daran hätte haben können, sich an einem einzigartigen Versager von schwedischem Säpo-Agent die Finger schmutzig zu machen, der überdies verbraucht war.
    Rune Jansson klappte die Mappe mit einem aggressiven Knall zu. Er fühlte sich bis zur Übelkeit angewidert. In seiner Polizeiarbeit hatte er sich jetzt schon seit Jahrzehnten immer darum bemüht, Beweise zu finden, was meist eine triste Schufterei war, ein zähflüssiges Wühlen in Details. Aber Beweise mußten gefunden werden, denn sonst gab es kein Urteil.
    Die Terroristengesetze waren ihm im Wortlaut nicht bekannt, und er hatte bisher keine Ahnung davon gehabt, daß es solche geheimen Scheinprozesse in Schweden gab, bei denen Polizeibeamte Staatsanwalt und Richter zugleich spielten. Noch weniger hatte er geahnt, daß die Polizei nicht einmal die Schuldigkeit besaß, ihre Beweise vorzulegen. In einem solchen Prozeß mußte jeder Angeklagte

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