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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Spekulationen abzugleiten. Das war eine Tendenz, gegen die er immer angekämpft hatte, in letzter Zeit jedoch mit immer geringerem Erfolg. Er versuchte irritiert, seine Phantasien zu verscheuchen, und kehrte zwanghaft zu den Tatorten und den grundlegenden Fakten zurück, zu den Dingen, die wirkliches Wissen waren. Trotzdem schaffte er es nur selten, so weit vorzudringen, denn meist wurde er durch das Telefon in seinen Überlegungen gestört. Als es jetzt läutete, näherte er sich dem Apparat mit dem größten Mißtrauen. Der Gedanke an neue Journalisten machte ihn besorgt.
    Es war jedoch nur der Kollege aus Ystad, der unten in der Rezeption stand. Rune Jansson bat ihn heraufzukommen. Er räumte sein geheimes Material beiseite, ging zur Minibar und entnahm ihr zwei Erfrischungsgetränke einer ihm unbekannten Marke und zwei Leichtbiere.
    Rune Jansson hatte Kurt Wallander nie persönlich kennengelernt, sondern nur mit ihm telefoniert. Vor ein paar Monaten hatte er in der Zeitschrift Svensk Polis unter der Überschrift »Sherlock Holmes in Ystad« etwas über ihn gelesen; das war eine Überschrift, wie sie Rune Jansson nicht einmal seinem schlimmsten Feind gewünscht hätte.
    Dummerweise hatte er es nicht geschafft, sich von dieser Assoziation zu befreien, als er die Tür aufmachte und sich spontan als Doktor Watson vorstellte. Das traf offenbar viel zu hart, denn sein Kollege aus Ystad machte eine gequälte Grimasse, als er eintrat und Rune Jansson die Hand schüttelte.
    »Man sollte nie mit Journalisten sprechen. Du weißt ja, wie das ist«, brummte Kurt Wallander, als er den Teil der Hotelsuite betrat, der als Wohnzimmer diente. »Nicht mal dann, wenn sie von unserer eigenen Zeitung sind, wie es scheint«, seufzte er, als er auf das mit weißem Kunstleder bezogene Sofa sank.
    »Ja, Verzeihung«, sagte Rune Jansson verlegen, als er sich dazusetzte. »Es passiert dir wohl nicht zum ersten Mal, daß man deswegen dumme Witze macht. Das war nicht sehr intelligent von mir. Ich hätte dir lieber zu ein paar bemerkenswerten Ermittlungsergebnissen gratulieren sollen.«
    Das war kein guter Anfang. Rune Jansson zeigte fragend auf die Erfrischungsgetränke und das Bier, erhielt aber ein fast erschrockenes Kopfschütteln zur Antwort. Er fragte, ob er Kaffee oder Tee bestellen solle, aber auch das wurde wie erwartet mit einem »Nein danke« beantwortet, und anschließend herrschte peinliche Stille.
    »Ich nehme an, daß du wegen dieser Serienmorde an Einwanderern in Lund bist«, sagte Kurt Wallander vorsichtig.
    »Ja«, bestätigte Rune Jansson und streckte sich vorsichtig nach einem der Erfrischungsgetränke. Er machte die Flasche auf und goß sich ein.
    »Stimmt es, daß alle Opfer Denunzianten der Säpo gewesen sind?« fragte Kurt Wallander mürrisch weiter.
    »Ja, das stimmt«, sagte Rune Jansson mit einem Seufzen. »Es ist aber bedauerlich, daß es durchgesickert ist. Das macht uns die Arbeit nicht gerade leichter. Was Journalisten betrifft, meine ich.«
    »Nein, wahrhaftig nicht«, sagte Kurt Wallander. »Wie geht es denn?«
    »Nicht sehr gut, weil wir inzwischen bei fünf oder sechs Morden angelangt sind und der Täter noch immer auf freiem Fuß ist. Aber wir kommen ihm langsam näher. Ich vermute, daß wir den Fall recht bald lösen werden. Aber jetzt zu deinem Anliegen. Worüber wolltest du sprechen?«
    »Ja, es geht um die Sache mit diesen Hamilton-Morden. Ich glaube, ich habe einen guten Ansatz«, sagte Kurt Wallander und machte plötzlich ein Gesicht, als bereute er seine Entscheidung, das Erfrischungsgetränk abgelehnt zu haben.
    »Den Hamilton-Morden?« fragte Rune Jansson verblüfft. Er streckte langsam die Hand nach dem Flaschenöffner und der zweiten Flasche aus. »Von was für Morden sprichst du?«
    »Na ja, von den Hamilton-Morden«, sagte Kurt Wallander verständnislos. »Von seiner Frau, seinen Kindern, seiner früheren Frau und jetzt zuletzt seiner Mutter unten bei uns in Ystad.«
    »Ach so«, sagte Rune Jansson. Er hatte das Gefühl, sich blamiert zu haben. »Du hast ja diese Sache mit seiner Mutter aufgeklärt. Der überlebende Sizilianer hat lebenslänglich bekommen, wie ich neulich las.«
    »Ja, genau«, sagte Kurt Wallander. Er machte ein Gesicht, als hätte er sich gerade entschlossen, dem small talk ein Ende zu machen, wurde aber unterbrochen, als Rune Jansson ihm ein giftgrünes Erfrischungsgetränk eingoß.
    »Dann legen wir los«, sagte Rune Jansson. »Was habt ihr da unten in Ystad

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