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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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als schuldig verurteilt werden, da kein Mensch seine Unschuld beweisen kann, wenn die Polizei immer nur behauptet, sie »wisse« um die Schuld des Angeklagten. Da mußte man sich schon die Frage stellen, weshalb man mit solchen Parodien überhaupt Zeit verschwendete.
    Aber offenbar gab es dieses System. Und dieses System gab folglich die Möglichkeit zu schnellen Maßnahmen. Überdies war es der Sicherheitspolizei damit möglich, jeden Irren zu beschützen, der beschloß, Erkenntnisse über Personen zu erfinden, über die die Säpo keine Erkenntnisse besaß und die sie gerade aus diesem Grund für verdächtig hielt.
    Es gehörte jedoch nicht zu Rune Janssons Job, über andere zu moralisieren oder sich angewidert zu fühlen. Er hatte einen richtigen Polizeijob und mußte sich fragen, wer eine bestimmte Person ermordet hatte, über deren Tod sich aus allgemein menschlichem Blickwinkel viele Menschen in ihrer Umgebung freuen würden.
    Es war zwar selbstverständlich, daß die Kollegen in Lund und Malmö sich jetzt im Bekanntenkreis des Opfers umsehen würden. Die Vernehmungseinheiten würden in der nächsten Zeit nicht ohne Arbeit sein.
    Wie sehr jedoch libanesische Flüchtlingsfamilien sich auch über den Tod des Denunzianten Ali Hussein Fadlallah freuen würden, konnte der Mörder kaum in ihren Kreisen zu suchen sein.
    Nicht einmal, wenn Gerüchte über ihn im Umlauf gewesen wären, nicht einmal dann, wenn jemand aus diesem Kreis durch Zufall oder sonstwie tatsächlich erfahren hätte, daß er Denunziant war, wäre es sonderlich wahrscheinlich, daß der Mörder unter ihnen zu finden war.
    Das ist der Vorteil, richtiger Polizist zu sein und nicht etwa bei der Säpo zu arbeiten, sagte sich Rune Jansson. Man muß in erster Linie darauf achten, was an objektiven Erkenntnissen vorhanden ist.
    Und das objektive Wissen im Fall des ermordeten Ali Hussein Fadlallah war in einer entscheidenden Hinsicht höchst bestechend.
    An zwei Stellen in Schweden, in Umeå und in Lund, waren Menschen mit exakt der gleichen Technik ermordet worden. Zwei Fälle in der gesamten Kriminalgeschichte.
    Das war das Entscheidende. In dieses Muster würde keiner der jetzt sicher fünfzig libanesischen Flüchtlinge oder von deren Kindern in Skåne hineinpassen. Das war schon eine mathematische Unmöglichkeit. Denn wenn bestimmte Libanesen oder Schiiten in Skåne ein hinreichendes Motiv gehabt hätten, Ali Hussein Fadlallah im Botanischen Garten in Lund zu ermorden oder woanders, wo die Möglichkeit dazu bestand, warum gerade Lund, wenn diese Stadt den gleichen Säpo-Besuch hatte wie Umeå zuvor? Was wäre, wenn einer dieser Menschen, die theoretisch ein Motiv gehabt hätten, in Lund einen Denunzianten zu ermorden, zufällig eine Methode beherrschte, die nur in einem früheren Fall angewendet worden war – was hatte dies dann mit einem türkisch-kurdischen Säpo-Informanten in Umeå zu tun?
    Also zurück zum Ausgangspunkt. Der Mörder mußte sich im Studentenwohnheim in Umeå aufgehalten haben und folglich eine der fünf bekannten Personen sein. Soweit jetzt bekannt war, hatten sich zwei von ihnen, wenn man Hamilton selbst mitzählte, auch in Lund aufgehalten, als der Informant Ali Hussein ermordet wurde. Es war am einfachsten, so zu denken. Die Ermittlung, die Hamilton im Fall Ali Hussein Fadlallah angestellt hatte, fügte dieser grundlegenden Logik nichts Neues hinzu. Hamilton hatte nur gezeigt, daß der Informant ein selten widerwärtiger Typ war und daß das System, das die Hilfe solcher Typen in Anspruch nahm, ebenfalls außerordentlich widerwärtig war. Das konnte zwar eine gewisse Übelkeit auslösen, bewies in der Sache jedoch nichts. Wenn man mit der Sache nur die Aufklärung des Mordes meinte.
    Rune Jansson hatte plötzlich das Gefühl, unabsichtlich etwas formuliert zu haben, was für ihn selbst von Bedeutung war. Wenn man mit der Sache nur die Aufklärung des Mordes meinte? Genau das war doch seine Aufgabe.
    Der Mörder hatte eine ganz andere Sicht der Dinge. Er sah etwas, was er, Rune Jansson, nicht sehen konnte. Er hatte kurz gesagt ein Motiv. Im Ermittlungsmaterial gab es reichlich stellvertretende Motive, beispielsweise bei sämtlichen libanesischen Flüchtlingsfamilien in der Region Malmö-Lund, die jetzt vernommen werden sollten. Aber der Mörder wußte ja sehr viel mehr als diese Menschen, vor allem wußte er, wer von den Einwanderern in Schweden als Informant arbeitete.
    Rune Jansson spürte, daß er dabei war, schon wieder in

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