Über jeden Verdacht erhaben
Aktentasche sind Dokumente. Diese werden vernichtet, wenn du oder ein anderer den Versuch machen sollte, die Aktentasche aufzubrechen. Der Code der beiden Schlösser ist 2113. Nein, schreib’s dir nicht auf. Als Eselsbrücke kannst du dir merken, daß es die vier letzten Zahlen meiner Personalnummer sind.«
»Ich nehme an, es sind geheime Dokumente«, sagte Erik Ponti mit einem Seufzen.
»Ja, das kann man ohne weiteres sagen«, sagte Carl und gluckste leise vor sich hin. »Es sind Säpo-Dokumente.«
»Und jetzt willst du dem Echo des Tages einen Haufen geheimer Säpo-Dokumente übergeben?« fragte Erik Ponti erstaunt. »Wenn du dich auf den Quellenschutz des Gesetzes über die Pressefreiheit berufen willst, dürfte das nicht für dich gelten, fürchte ich. Es gibt nämlich Ausnahmen, und geheime Säpo-Dokumente sind eine solche Ausnahme.«
»Ich weiß«, erwiderte Carl kurz. »Ich bin aber nicht auf Rechtsschutz aus.«
»Worauf dann?« fragte Erik Ponti mißtrauisch.
»Folgendes«, begann Carl entschlossen. »Ich wünsche, daß du diese Dokumente möglichst sicher aufbewahrst. Na ja, du verstehst schon. Du sollst sie aber nur in einer bestimmten Situation zur Kenntnis nehmen und dann natürlich auch den Inhalt veröffentlichen. Diese Situation ist gegeben, wenn ich tot bin und du weißt , daß ich nicht mehr lebe.«
Erik Ponti schwieg eine Zeitlang und bemühte sich, den Inhalt dessen zu begreifen, was er soeben gehört hatte. Carl wartete höflich ab, ohne etwas zu sagen.
»Du rechnest aber doch nicht damit, daß dein Leben jetzt stärker bedroht ist als in den letzten Jahren?« fragte Erik Ponti angestrengt, als ihm aufging, daß er für Carls Worte keine spontane Erklärung fand.
»Nein, das kann ich nicht sagen«, erwiderte Carl. »Das hier ist eine reine Vorsichtsmaßnahme, denn das Wissen, das sich in dieser Aktentasche befindet, darf nicht zerstört werden.«
»Und wenn du nicht stirbst?« fragte Erik Ponti. Er schloß die Augen vor Anstrengung, sich zu konzentrieren. Er wollte verstehen, worauf dieses Spiel hinauslief.
»Dann werde ich dafür sorgen, daß die Erkenntnisse in der Aktentasche publik werden«, erwiderte Carl.
»Wie denn?« frage Erik Ponti, immer noch mit geschlossenen Augen.
»Ich kann dir versichern, daß dir das nicht entgehen wird«, sagte Carl mit etwas, was sich in Erik Pontis Ohren wie ein Kichern anhörte.
»Wunderbar!« sagte Erik Ponti sarkastisch und schlug die Augen auf. »Das bedeutet also, daß ich jetzt ungeheuer interessantes journalistisches Material in den Händen halte. Du gibst es mir. Du bittest mich aber gleichzeitig, es nicht zu verwenden, sofern du nicht zufällig ermordet wirst. Soll ich das so auffassen?«
»Haargenau so«, erwiderte Carl lächelnd.
»Es ist nicht wenig, was du da verlangst!«
»Nein. Und gerade deshalb kann ich nur zu dir kommen.«
»Was bringt dich zu der Annahme, daß ich darauf verzichte herauszufinden, was sich in der Aktentasche befindet? Hat es übrigens was mit der sogenannten Säpo-Spur zu tun?«
»Ja, das hat es«, erwiderte Carl knapp. »Das, was du da in der Aktentasche hast, ist die Säpo-Spur.«
»Es ist also wahr«, bemerkte Erik Ponti mit einem Ächzen. Der Gedanke, daß die schlimmsten Konspirationstheoretiker und Privatfahnder dieses eine Mal recht behalten sollten, gefiel ihm ganz und gar nicht.
»Ja, es ist wahr. Du solltest jetzt aber einen kühlen Kopf bewahren«, sagte Carl mahnend. »Und nicht in dem Glauben losrennen, daß alles, was ihr bisher in den Medien gesagt habt, wahr sei, denn so verhält es sich nicht. Ein kleiner Tip unter uns. Alle bisher vernommenen Beamten der Säpo sind unschuldig.«
»Das weißt du genau?« fragte Erik Ponti mit automatischer Aggressivität.
»Ja, das weiß ich mit absoluter Sicherheit.«
»Dann komme ich auf eine Frage zurück, die du nicht beantwortet hast«, seufzte Erik Ponti. »Nämlich. Was zum Teufel bringt dich eigentlich zu der Annahme, daß ich jetzt nicht einfach in die Redaktion gehe, den richtigen Code benutze, so daß der Inhalt nicht vernichtet wird, um dann die Aktentasche zu öffnen, zu lesen, bis mir die Augen tränen, und dann der Öffentlichkeit die Wahrheit mitzuteilen? Kurz, warum sollte ich nicht das tun, was mein Job ist?«
»Weil ich dich darum bitte«, sagte Carl ruhig. »Worum es hier letztlich geht, ist Solidarität mit der dritten Welt und mit einer Million Einwanderer in Schweden. Für mich wie für dich ist diese Frage wichtiger als
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