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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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berührt zu. »Zumindest in dem Sinne, daß der Verdächtige ja Chef der Säpo ist.«
    »Und das, was du mir bisher erzählt hast, würde in normalen Fällen für eine Festnahme mehr als ausreichend sein?« überlegte der Generalreichsanwalt. »Wer vorläufig festgenommen worden ist, kann oft ziemlich diskret verhört und dann wieder auf freien Fuß gesetzt werden. Wenn aber jemand Säpo-Chef ist, ist das ausgeschlossen. Ist das die eigentliche Nuß, die hier zu knacken ist?«
    »Nein, nicht direkt«, erwiderte Rune Jansson. »Der Mörder hat bei einer Gelegenheit die vier letzten Zahlen von Hamiltons Personennummer am Tatort zurückgelassen. Wir glauben also, daß Hamilton geschnappt werden will. Die entscheidenden Informationen bei der Fahndung haben wir nämlich gerade von ihm erhalten. Kurz, wir sind unserer Sache sicher. Das ist nicht das Problem.«
    »Wenn das so ist, gibt es kein Problem«, entgegnete der Generalreichsanwalt leise. »Ich muß gestehen, daß ich in erster Linie aus reiner Neugier gefragt habe. Aber wenn du und Willy der Meinung seid, ihr könnt eurer Sache sicher sein, dann legt einfach los wie immer.«
    »Ich soll also zu Oberstaatsanwalt Jan Danielsson gehen und ihn bitten, gegen den Verdächtigen einen Festnahmebeschluß auszustellen?« fühlte Rune Jansson optimistisch vor.
    »Ja, genau das«, sagte der Generalreichsanwalt nachdenklich.
    »Genau das. Ich kann deine Besorgnis verstehen, daß hier plötzlich irgendein Spezialgesetz in Funktion treten könnte, etwas, was sozusagen völlig außerhalb dessen liegt, was wir beide bei der Arbeit erlebt haben. Aber so ist es nicht. Das Gesetz gilt für alle, wie du weißt. Der Umstand, daß der Verdächtige ein hohes Staatsamt bekleidet, ändert daran nicht das geringste. Wenn Hamilton noch Militär gewesen wäre, hättest du dir wohl keine Sorgen gemacht, nehme ich an?«
    »Na ja«, sagte Rune Jansson und wand sich. »Ich habe tatsächlich einmal eine seltsame Erfahrung gemacht, als ich noch bei der Polizei in Norrköping war. Es war eine Mordermittlung, die sich plötzlich in nichts auflöste, weil das Militär beteiligt war.«
    »Dann gab es einen Zusammenhang mit einer fremden Macht«, meinte der Generalreichsanwalt.
    »Ja, ich nehme es an«, sagte Rune Jansson.
    »Aber bei dieser Ermittlung gibt es keine solche Komplikation«, sagte der Generalreichsanwalt im Brustton der Überzeugung. »Ihr habt einen Verdächtigen, einen mutmaßlichen Täter, der in Schweden ganz gewöhnliche Verbrechen begangen hat. Das ist das einzige, worauf es hier ankommt. Ob er nun Polizeichef oder Mitglied der Klasse der Nichtstuer ist, spielt juristisch keine Rolle. Wenn es der König wäre, würde sich die Sache möglicherweise komplizieren, aber so ist es ja Gott sei Dank nicht.«
    »Wir sollen also so verfahren wie immer?« fragte Rune Jansson.
    »Ja, genau so!« sagte der Generalreichsanwalt entschlossen.
    »Du und Willy präsentiert dem Leiter der Voruntersuchung, also Oberstaatsanwalt Jan Danielsson, eure Verdachtsmomente und Ermittlungsergebnisse, und zwar so, als wenn der Verdächtige Immobilienmakler oder sonst etwas wäre. Wenn der Leiter der Voruntersuchung dann zu dem Schluß kommt, daß ihr euch warm genug angezogen habt, geht es auch juristisch genau wie immer weiter.«
    »Juristisch?« fragte Rune Jansson.
    »Ja, nur daran können wir uns in dieser Frage halten«, sagte der Generalreichsanwalt. »Juristisch gesehen ist es eine Tat wie viele andere. Psychologisch und praktisch haben wir es hier mit etwas zu tun, was weit über jedes Normalmaß hinausgeht. Aber darauf kann ich keine Rücksicht nehmen. Möchtest du noch eine Zimtschnecke?«
    Rune Jansson lehnte höflich dankend ab, da ihm plötzlich aufging, daß er es eilig hatte. Der Rest des Tages würde vermutlich sehr ereignisreich werden.
    Er ging langsam die fünf Treppen hinunter, statt den Fahrstuhl zu nehmen, und hüllte sich enger in seinen Mantel, als er auf Norr Mälarstrand hinaustrat. Dann schlenderte er langsam in Richtung Kungsholmstorg. Es wehte ein kalter Wind, obwohl es ein schöner Frühlingstag war und das Licht auf dem Wasser des Riddarfjärden einladend glitzerte.
    Er ging langsam, als wollte er das Unvermeidliche irgendwie hinausschieben. Vielleicht wollte er auch nur eine Zeitlang im Auge des Sturms allein sein. Die Frage, die er sich stellen mußte, war nicht ganz leicht zu beantworten. Doch jetzt, aus nachträglicher Sicht, erschien alles so selbstverständlich, daß

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