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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Selbstvorwürfe fast unvermeidlich waren. Er hätte das Ganze schon viel früher begreifen müssen. Schon die ersten Berichte der Pathologen hätten ihm aufsehenerregend vorkommen müssen. Und dann die Sache mit der Alarmanlage im Studentenwohnheim in Umeå, die nur von zwei Personen hätte ausgeschaltet werden können. Und davon war einer ein Mann, der nicht hätte morden können, während der andere gerade die extremen Talente auf diesem Gebiet besaß, von denen die Gerichtsmediziner gesprochen hatten.
    Nach einem Giftmord derselben Art, wie er ihn schon einmal aufgeklärt hatte, zu allem Überfluß auch noch zusammen mit Hamilton selbst.
    Andererseits hatte es tatsächlich den Anschein, als hätte Hamilton gar nicht die Absicht, davonzukommen. Er hatte Rune Jansson schließlich mit zahlreichen Informationen versehen, die er hätte verbergen oder manipulieren können. Am bemerkenswertesten war jedoch, daß er im Botanischen Garten von Lund trotz seines sicher sehr großen Repertoires die haargenau gleiche Methode gewählt hatte wie neben der Ålidshems-Kirche in Umeå. Außerdem hatte er Teile seiner Personennummer am Tatort zurückgelassen. Das war nichts anderes als eine Bitte, geschnappt zu werden.
    War Hamilton also verrückt geworden? Es fiel Rune Jansson sehr schwer, das zu glauben. Die verrückten Mörder, mit denen er im Lauf der Jahre zu tun gehabt hatte – inzwischen waren es recht viele –, hatten sich in nichts so verhalten wie Hamilton. Doch letztlich war es nicht Rune Janssons Sache, über die seelischen Aspekte nachzugrübeln. Dieser Frage sollte sich die Gerichtspsychiatrie von Huddinge annehmen, wenn sie dazu aufgefordert wurde.
    Das Problem war, daß er so lange Zeit gebraucht hatte, das Selbstverständliche zu sehen und objektiv zu denken. Er versuchte sich einzureden, daß die Situation in etwa die gleiche wäre, wenn alle Indizien bei einer Ermittlung plötzlich auf Willy Svensén gezeigt hätten. Auch dann hätte es reichlich lange gedauert, bevor er sich über die einfache Selbstverständlichkeit hätte hinwegsetzen können, daß Willy nicht nur ein guter Freund war, sondern auch ein über jeden Verdacht erhabener Bürger.
    Er war mit dieser Parallele jedoch nicht richtig zufrieden. Hamilton war nachweislich ein Berufsmörder, eine ebenso offenkundige wie unangenehme Tatsache. Und der Mörder, den sie gesucht hatten, hatte sich auch genauso verhalten. Logisch war das Ganze sehr einfach.
    Rune Jansson blickte unmotiviert finster drein, als er Willy Svenséns Zimmer betrat und die Tür hinter sich zumachte. Dann ließ er sich schwer auf einen der Besucherstühle fallen, ohne den Mantel auszuziehen.
    »Nun, was hat der gute Jon Thorstensson gesagt?« fragte Willy Svensén vorsichtig nach anfänglichem Schweigen.
    »Der gute Generalreichsanwalt hat mir mitgeteilt, daß es keine Probleme gibt«, erwiderte Rune Jansson mit einem Seufzen.
    »Es sei ein gewöhnlicher Fall, der so behandelt werden solle wie alle gewöhnlichen Fälle.«
    »Ein gewöhnlicher Fall?« sagte Willy Svensén zweifelnd.
    »Das kann doch kaum seine Meinung sein?«
    »O doch, rein juristisch gesehen ist es ein gewöhnlicher Fall«, sagte Rune Jansson. Er gab sich plötzlich einen Ruck, zog den Mantel aus und warf ihn über die Rückenlehne des Besucherstuhls. »Er sieht natürlich ein, daß es sich hier praktisch und psychologisch um eine Festnahme handelt, die ein wenig über das Normale hinausgeht. Aber nicht nach dem Gesetz.«
    »Und mit der interessanten Neuigkeit sollen wir einfach zu Jan Danielsson runtertippeln?« fragte Willy Svensén ironisch.
    »Der wird sich aber freuen.«
    »Ja, so ist es«, bemerkte Rune Jansson und schüttelte lächelnd den Kopf. »Er ist derjenige, der die Beschlüsse treffen muß. Der Generalreichsanwalt hat nichts mit der Sache zu tun. Hamilton hat vor dem Gesetz keine Sonderstellung, sondern soll so behandelt werden wie alle anderen.«
    »Soso…«, sagte Willy Svensén zögernd. »Bald ist Ostern, und dann werde ich pensioniert. Immerhin ein bemerkenswertes Ende nach dreiundvierzig Jahren als Polizist.«
    »Du solltest versuchen, das Positive zu sehen«, sagte Rune Jansson in einem Versuch, ihn und sich aufzumuntern. »Es wäre schlimmer gewesen, wenn du aufgehört hättest, bevor das Ganze aufgeklärt war.«
    »Ja, so kann man es natürlich auch sehen«, sagte Willy Svensén und erhob sich. »Holst du die Unterlagen? Dann rufe ich unten bei Danielsson an und kündige unser Kommen

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