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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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an.«
    Als Willy Svensén den Oberstaatsanwalt am Apparat hatte, sagte er kurz und geradeheraus, es sei Zeit für eine Festnahme. Sie hätten den Serienmörder. Und der Oberstaatsanwalt, der zuerst etwas von Müdigkeit und viel Arbeit gemurmelt hatte, wurde natürlich auf der Stelle hellwach. Die beiden brauchten einfach nur herunterzukommen, meinte er.
    Eins hatte Willy Svensén jedoch wohlweislich nicht erzählt, nämlich wer festgenommen werden sollte.
    Die beiden Kommissare gingen gemeinsam zum Oberstaatsanwalt hinunter, als wären sie sehr bedrückt. Sie machten nicht einmal den Versuch, irgendeinen cleveren Vortrag zu präsentieren, um nicht gleich wie zwei Idioten zu erscheinen.
    Doch das war trotzdem der erste spontane Gedanke des Oberstaatsanwalts, als Willy Svensén nach einigen einleitenden Floskeln offen sagte, wen sie wegen Mordes festnehmen lassen wollten.
    Der Oberstaatsanwalt saß eine Zeitlang buchstäblich mit offenem Mund da, nachdem er die Nachricht in sich aufgenommen hatte. Sein Spitzbart und die große Brille verliehen ihm das Aussehen einer kleinen Eule. Doch die beiden mit zusammengebissenen Zähnen dasitzenden Polizeibeamten vor ihm erweckten durch nichts den Eindruck, als machten sie einen Scherz. Außerdem gehörten sie nachweislich zu den allerbesten Mordermittlern im Land.
    Als Jan Danielsson sich ein wenig erholt hatte, bat er um eine Darlegung der faktischen Umstände, die den Ermittlungsbeamten zufolge einem Festnahmebeschluß zugrunde gelegt werden könnten. Die beiden entnahmen zwei Aktentaschen seelenruhig ihr Material und begannen mit einem systematischen Vortrag, der sich tatsächlich so anhörte, als ginge es um einen beliebigen Fall.
    Nach einer halben Stunde waren sie fertig. Jan Danielsson hatte nicht viele Fragen gestellt und war jetzt überdies in der Sache überzeugt. Dennoch sagte er, er brauche ein bißchen Zeit, um sich alles durch den Kopf gehen zu lassen, vielleicht eine halbe Stunde oder so? Und dann bat er die Polizeibeamten, oben im Dezernat zu warten, bis sie Bescheid erhielten.
    Als die beiden sich getrollt hatten, rief er sofort den Generalreichsanwalt an, um, wie er sagte, über ein Problem von besonderer Sensibilität zu diskutieren, worüber er am Telefon eigentlich ungern sprechen wolle. Zu seinem Erstaunen hörte sich der Generalreichsanwalt richtig abweisend an. Er hielt ein persönliches Treffen überhaupt nicht für nötig. Statt dessen verlangte er fast brüsk zu wissen, worum es gehe.
    Als Jan Danielsson unter vorsichtigen Worten beschrieb, daß ein wohlbegründeter Verdacht gegen einen Amtsinhaber bei der Sicherheitspolizei entstanden sei, hörte sich der Generalreichsanwalt nicht im mindesten erstaunt an. Im Gegenteil, er unterbrach Jan Danielsson schnell mit dem Hinweis, daß ein Oberstaatsanwalt in einer solchen Frage völlig selbständige Entscheidungen zu treffen habe. Die Generalreichsanwaltschaft habe nichts damit zu tun. Im Prinzip sei es nichts, was über den gewohnten Arbeitsablauf hinausgehe. Natürlich könne es sich um eine Angelegenheit handeln, über die das Kabinett informiert werden müsse. Wenn Jan Danielsson nun eine solche Entscheidung treffe, wäre es gut, wenn sie eilig an die Generalreichsanwaltschaft übermittelt werde. Hingegen bestehe im Augenblick keinerlei Anlaß, sich sozusagen von Amts wegen in die Details einzumischen.
    Jan Danielsson rief schnell bei Willy Svensén und Rune Jansson an. Sie waren kaum oben in Willy Svenséns Zimmer angekommen, als es Zeit war, umzukehren und hinunterzugehen.
    »Er hat natürlich den Generalreichsanwalt angerufen«, sagte Rune Jansson und zwinkerte seinen Chef zu. »Und was der gesagt hat, können wir uns inzwischen ausrechnen.«
    Während er dasaß und auf die beiden Polizeibeamten wartete, hatte Jan Danielsson das Gefühl, alles um ihn herum sei unwirklich. Das Belastungsmaterial wäre bei normalen Fällen mehr als ausreichend, nicht nur für eine Festnahme, sondern auch für einen Haftbefehl. Insoweit war alles einfach. Wenn es um einen gewöhnlichen Bürger gegangen wäre, hätte er seine Entscheidung längst getroffen.
    Doch jetzt ging es um einen der beiden höchsten Polizeichefs des Landes, was es in neuerer Zeit noch nie gegeben hatte. Was passierte, wenn Hamilton sich am Ende doch als unschuldig erwies? Und was passierte, wenn er sich überdies weigerte, sich mit seiner Festnahme abzufinden?
    Doch das lag glücklicherweise nicht in Jan Danielssons Verantwortung. Er war nur für

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