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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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habe ich jetzt die Pflicht, Ihnen mitzuteilen, daß Sie des Mordes verdächtigt werden und vorläufig festgenommen sind.«
    »Wenn das die gute Nachricht ist, wie sieht dann die schlechte aus?« knurrte der Mörder, den das soeben Gehörte weder sonderlich zu erstaunen noch zu erschüttern schien.
    »Sie haben also den Inhalt meiner Worte erfaßt?« fuhr Wallander fort, ohne auf die makabre Witzelei des Mörders einzugehen.
    »Rechtsanwalt? Wann und wen?« fragte der Mörder.
    »Sie werden einen Anwalt bekommen, den Ihnen das hiesige Amtsgericht zum Haftprüfungstermin beiordnet. Außerdem werden wir Sie bald in Untersuchungshaft überführen«, fuhr Wallander konzentriert fort, da er den Eindruck hatte, daß sein Englisch eingerostet war.
    Der Mörder nickte nur zum Zeichen, daß er verstanden hatte.
    »Ich muß Sie jetzt offiziell fragen, wie Sie sich zu der Anschuldigung stellen«, fuhr Wallander fort.
    »Unschuldig, natürlich!« entgegnete der Häftling. Sein Gesicht hellte sich zu etwas auf, was seit langer Zeit sein erstes Lächeln sein mußte, denn ihn überraschten die Schmerzen verschiedener Wunden im Gesicht, was ihn sofort veranlaßte, wieder seine ausdruckslose Maske anzulegen.
    »Sie haben nicht zusammen mit einer Person namens Sanglieri in Schloß Vrångaholm jemanden ermordet? Soll ich Ihre Worte so verstehen?« fragte Wallander langsam.
    »Natürlich«, erwiderte der Mörder. »Warum sollten mein Vetter und ich zwei alte Weiber ermorden wollen? Das wäre doch idiotisch, finden Sie nicht auch?«
    »Woher wissen Sie, daß zwei ältere Damen ermordet worden sind?« fragte Wallander schnell.
    Der Mörder setzte ein breites Lächeln auf, reagierte jedoch schnell wieder auf seine Schmerzen.
    »Bullen sind sich überall gleich«, sagte er. »Sie halten sich wohl für verdammt schlau, was? Vielleicht hatte ich eine göttliche Vision dieser verdammten ermordeten alten Weiber. Vielleicht hat mir auch ein Vögelchen etwas ins Ohr geflüstert. Vielleicht hat es mir eine Krankenschwester erzählt. Herr Kommissar! Tun Sie mir doch einen einzigen Gefallen. Versuchen Sie nicht, bei mir den Bullen zu spielen. Haben Sie übrigens diesen Bauernlümmel mit dem Traktor eingebuchtet?«
    »Ja«, erwiderte Wallander steif. Er spürte, wie ihn zunehmend großes Unbehagen befiel. Die arrogante Gleichgültigkeit dieses Mörders machte ihm zu schaffen. »Der Mann, der den Traktor fuhr, wird zu gegebener Zeit vor Gericht gestellt werden.«
    »Gut!« stöhnte der Mörder. »Es ist wirklich zum Kotzen. Ich stamme selbst aus einer Bauernfamilie und müßte eigentlich wissen, wie sich besoffene Bauerntölpel auf dem Land benehmen.
    Aber ich dachte, ihr hättet hier oben keinen Wein. Wie viele Jahre bekommt dieser Scheißkerl?«
    »Er dürfte kaum eine so lange Gefängnisstrafe erhalten«, erwidert Wallander lahm.
    »Gut«, sagte der Mörder und machte einen sichtlich erleichterten Eindruck. »Das bedeutet also, daß mein Vetter lebt?«
    »Das habe ich nicht gesagt«, entgegnete Wallander. Ihm kam plötzlich ein absurder Gedanke. »Ich kann auf diese Frage aber antworten, wenn Sie eine einzige meiner Fragen beantworten. Sie ist höchst inoffiziell, da ich es einfach nur wissen will.«
    »Dann nur raus mit der Frage, Kommissar«, erwiderte der Mörder mit einem neuen schmerzhaften Versuch zu einem Lächeln.
    »Ich verstehe, weshalb Sie Mrs. Hamilton erschossen haben«, sagte Wallander langsam. »Ich kann aber nicht verstehen, warum Sie auch diese zweite Frau getötet haben. Was für einen Grund gab es dazu?«
    Der Mörder sah Wallander forschend und mit fast freundlichem Interesse an. Dann seufzte er und hob theatralisch den Blick zur Decke, bevor er etwas sagte.
    »Wie ich schon betont habe, Kommissar, bin ich unschuldig wie ein Lamm. Ich habe aber Visionen und Vorstellungen. Eine dieser Visionen sagt mir, daß die Männer, die Sie suchen, zuerst das falsche Weibsstück erschossen. Reine Schlamperei, verdammt schlampig, da so was überflüssige Zeit kostet, und es war eilig. Jedenfalls wurde der Fehler später korrigiert. Aber das ist natürlich reine Spekulation und nichts sonst. Und wie geht es meinem Vetter Guido?«
    »Er ist tot«, erwiderte Wallander kalt. »Er starb auf der Stelle. Sie hätten die Sicherheitsgurte anlegen müssen.«
    Der Sinneswandel des Mörders traf Wallander vollkommen unvorbereitet. Zunächst betrachteten die schwarzen Augen Wallander eine Sekunde lang, um zu begreifen, ob das ein Scherz war oder Ernst. Mit

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