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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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besonders redselig sein wird.«
    »Ach nein«, sagte Rune Jansson lachend, »das glaube ich auch nicht. Man kann über die Mafia sagen, was man will, aber es kommt wirklich nur selten vor, daß ihre Leute singen. Ruf mich an, wenn du etwas brauchst.«
    Wallander fühlte sich aufgemuntert, als er zum Krankenhaus fuhr. Immerhin hatte er einige gute Argumente gefunden, um zumindest für den Anfang Björk zu widerstehen. Dieser würde es mit Sicherheit mißbilligen, daß die Polizei von Ystad der Oberschicht in Schonen lästig fiel.
    Im Krankenhaus suchte er zunächst den Oberarzt auf, der den festgenommenen Sizilianer unter seine medizinischen Fittiche genommen hatte. Dieser hatte zunächst vorgehabt, zum Thema gefangener und gepflegter Mörder eine Pressekonferenz zu geben, was Björk jedoch hatte verhindern können.
    Der Oberarzt empfing ihn in seinem Dienstzimmer zusammen mit einigen Untergebenen, deren Funktionen Wallander unklar waren. Es begann mit einem etwas pompösen medizinischen Vortrag, der ebensogut, wie Wallander klar war, sehr kurz und ohne Latein hätte erledigt werden können. In diesem Falle hätte es geheißen, daß der Patient infolge einer Gehirnerschütterung noch einige Kopfschmerzen habe.
    Als diese Mitteilung endlich geäußert worden war, fragte Wallander ruhig, ob man den Festgenommenen nicht schon im Lauf des Abends ins Polizeihaus überführen könne, da dieser ja offenbar nur an Kopfschmerzen leide.
    Er holte sich eine empörte Abfuhr und wurde erneut mit einer Dosis medizinischer Fachbegriffe überspült, die er über sich ergehen ließ, ohne Irritation zu zeigen, da er sein Gegenargument schon gefunden hatte.
    »Ich habe eher an die Sicherheitsaspekte gedacht«, erklärte er gemessen. »Wie aus allem, was in dieser Sache schon geschrieben worden ist, hervorgeht, haben wir es mit Personen zu tun, die mit Schrotgewehren in den Händen in ein Haus stürmen und alles niederschießen, was sich ihnen in den Weg stellt. Ich meine, da jetzt bekannt ist, wo dieser Ganove sich befindet, richtet sich die Drohung ja nicht nur gegen unser Bewachungspersonal, sondern auch gegen Sie, die Sie hier arbeiten.«
    »Gibt es ein ernstzunehmendes Risiko, daß es zu einem Befreiungsversuch kommen könnte?« fragte der Oberarzt nervös.
    »Ja, das möchte ich schon behaupten«, sagte Wallander im Brustton der Überzeugung. »Dieser Patient ist zufällig Mitglied der größten Gangsterorganisation der Welt, die sich als absolut fähig erwiesen hat, hier in Schonen zuzuschlagen. Und jetzt wissen die Leute, wo sich der Mann aufhält…«
    Seine Worte hatten die gewünschte Wirkung. Wie sich herausstellte, hatte sich der Patient entscheidend erholt und war somit imstande, sofort verhört zu werden. Und konnte später am Abend auch in die Untersuchungshaft überführt werden, und zwar ohne drohendes medizinisches Risiko.
    »Gut«, sagte Wallander. »Spricht er englisch?«
    »Er verfügt jedenfalls über einen außerordentlich reichen Vorrat angelsächsischer Flüche«, erwiderte der Oberarzt müde. Es hatte den Anschein, als hätte er jetzt schon jedes Interesse an seinem Patienten verloren.
    Als Wallander das Krankenzimmer des Gefangenen betrat, fiel ihm als erstes der Standort des uniformierten Polizeibeamten auf. Dieser saß mit dem Rücken zum Fenster und las einen Kriminalroman; von außen mußte er als deutliche Silhouette erkennbar sein. Der Beamte erhob sich natürlich und grüßte, als Wallander eintrat, und fing sich sofort einen brüsk geäußerten Rüffel ein, weil er sich so schlecht postiert hatte. Er erhielt den Befehl, sich weiter in die Mitte des Zimmers zu setzen und seine Leselampe mitzunehmen.
    Während der Polizeibeamte eingeschüchtert im Zimmer umzuräumen begann, betrachtete Wallander den Mörder im Bett. Dieser war wach und erwiderte Wallanders Blick dreist und frech; sein Gesicht war geschwollen und verbunden, und überdies hatte er einen Verband um den Kopf, doch sein Blick war scharf und arrogant.
    »Ich bin Kommissar Wallander von der hiesigen Polizei«, begann Wallander auf englisch. Er zog einen Stuhl ans Bett und setzte sich. »Man hat mir gesagt, daß Sie Englisch sprechen. Stimmt das?«
    »Jedenfalls genug, um alle Scheißbullen aufzufordern, sich zum Teufel zu scheren«, entgegnete der Mörder aggressiv. Er sprach wie ein amerikanischer Filmgangster.
    »Gut«, sagte Wallander. »Sehr gut, das macht es leichter für uns. Ich bin natürlich dienstlich hier. Nach schwedischem Gesetz

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