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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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sein Alter unerhört durchtrainierte Mann mit der perfekten Kleidung und dem Trauerband am Revers, tatsächlich auch Berufsmörder war, denn genau dieses Signal sandten Hamiltons Augen aus.
    »Diese illustren Leichtnachrichten haben in der letzten Zeit einige verwickelte Theorien zu den Morden an einigen Personen entwickelt, an Einwanderern«, fuhr Hamilton kalt fort, ohne den Blick von Vargemyr zu wenden. »Sie zitieren eine hochgestellte Stelle bei der Säpo‹, wie sie es nennen, wenn sie schildern, wie – und ich zitiere jetzt – fundamentalistischer Terror von Moslems gegen moslemische Überläufer – Ende des Zitats – den Hintergrund zu diesen Morden bildete. Wie euch beiden jetzt sicher klar ist, haben wir hier eine Serie intellektueller und administrativer Probleme vor uns. Die Abteilung für sogenannten moslemischen Terror ist geschlossen. Diese Tätigkeit ist inzwischen in dem Papierkorb gelandet, in den sie gehört. Was nun die Frage betrifft, was ein moslemischer Überläufer eigentlich für ein Typ von Mensch ist, muß ich gestehen, daß meine Phantasie nicht ganz ausreicht. Wir probieren den Begriff mal bei einer anderen Religion aus, dann werdet ihr sehen. Jüdischer Überläufer? Katholischer Überläufer? Wirklich, ich finde es sehr traurig, daß die Massenmedien über Moslems solche Produkte einer überhitzten Phantasie verbreiten. Man könnte sagen, daß das schon an sich eine politische Frage darstellt. Ein komplizierteres Problem ist, wie eine angeblich hochgestellte Quelle bei der Säpo hinter Theorien stehen kann, die wir schon längst von der Tagesordnung abgesetzt haben und an die wir uns nicht mehr erinnern wollen, es sei denn mit Scham. Hast du zu diesen Fragen eine Meinung, Vargemyr?«
    »Nein, das habe ich nicht«, erwiderte Vargemyr angestrengt. Ihm drehte sich alles im Kopf, und er hatte das Gefühl zu schwanken. Hamiltons Blick schnitt in ihn hinein, so daß er einen fast körperlichen Schmerz spürte.
    »Das solltest du aber«, fuhr Hamilton langsam und mit leicht gesenkter Stimme fort. »Obwohl ich gestehen muß, daß du den Ereignissen ein wenig vorgegriffen hast, als du dich eine hochgestellte Quelle bei der Säpo genannt hast. Denn inzwischen dürfte dir ja schon klargeworden sein, daß du künftig in dieser Firma nicht sehr hochgestellt sein wirst. Kommentar?«
    »Die Quellen von Massenmedien werden durch das Pressegesetz geschützt. Eine Behörde darf solchen Quellen nicht einmal nachspüren«, sagte Vargemyr in seiner Desperation.
    »Interessante Ansicht«, sagte Hamilton leise und griff nach einer Mappe aus dunkelblauer Pappe mit Gummibändern an den Ecken, welche die Dokumente zusammenhielten. »Was unsere ehrwürdigen Grundgesetze angeht, gibt es einige unanständige Ausdrücke für das, was du meiner Ansicht nach mit ihnen machen kannst. Zumindest solange du dich hier drinnen befindest. Wir sind dazu da, die Grundgesetze zu verteidigen, und nicht dazu, ihren Inhalt zu sabotieren. Wenn ich mich auf juristische Haarspalterei verlegte, könnte ich auch sagen, daß das Pressegesetz den Beamten im Sicherheitsdienst des Landes keineswegs schützt, der vertrauliches Material durchsickern läßt, ob nun an die Russen oder die Leichtnachrichten.«
    »Aber wenn es nicht stimmt, kann es doch auch nicht vertraulich sein«, tastete Vargemyr sich vor. Er begriff selbst nicht, weshalb er so widerstrebte. Es kam ihm vor, als wäre es ein Reflex.
    »Pfiffig gedacht«, sagte Hamilton. »Noch pfiffiger aber ist, daß selbst der größte Unfug aus diesem Haus vertraulich ist.
    Du bist sogar dann ein Spion, wenn du den Russen konkret fehlerhafte Angaben lieferst. Bevor wir auseinandergehen, habe ich eigentlich nur eine Frage. Warum hast du ihnen diesen Blödsinn eingeredet? Weil du selbst daran glaubst oder weil du ein höheres und für mich noch nicht klar durchschaubares Motiv hast, obwohl du weißt, daß du dummes Zeug verbreitest?«
    Hamilton stand auf und ging langsam auf Vargemyrs Abteilungsleiter zu, der nervös aufstand. Hamilton drückte ihm die blaue Mappe in die Hand.
    Vargemyr war schweigend stehen geblieben.
    »Nun?« sagte Hamilton scharf und drehte sich plötzlich zu ihm um.
    »Es könnte im Prinzip doch wahr sein«, brummte Vargemyr und blickte zu Boden, da ihm Hamiltons Blick wie ein Schweißbrenner zusetzte.
    »Sehr interessant«, bemerkte Hamilton in einem Tonfall, der sich fast amüsiert anhörte. Dann ging er wieder an seinen Schreibtisch und setzte sich. Vargemyrs

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