Über jeden Verdacht erhaben
Chef setzte sich ebenfalls zögernd hin.
»Wirklich sehr interessant«, fuhr Hamilton mit gespielter Nachdenklichkeit fort und blickte an die Decke, da er sein Opfer nicht mehr mit dem Blick erreichen konnte. »Es hätte wahr sein können , war es jedoch nicht. Im Prinzip wahr? Das bedeutet wohl, daß du etwas beschreibst, was du als politisch passend beurteilst. Etwa nach dem Motto: Das weiß schließlich jeder, wie Moslems eigentlich sind. Etwas in der Richtung? In fünf Minuten hast du das Haus verlassen. Bergklint begleitet dich zu deinem Zimmer und sorgt dafür, daß du nur persönliche Dinge mitnimmst. Schlüssel und Codekarte läßt du auf deinem Schreibtisch zurück. Auf Wiedersehen!«
Vargemyr schluckte, drehte sich auf dem Absatz um und ging zur Tür. Sein Vorgesetzter folgte ihm mit einem scheuen Blick auf Hamilton und machte sehr vorsichtig die Tür zu.
Kommissar Bergklint durfte anschließend etwas miterleben, wovon er bislang nur Gerüchte gehört hatte. Alles stimmte mit dem überein, was man ihm erzählt hatte. Als sie unten in der Abteilung ankamen, warteten zwei Kollegen vor Vargemyrs Zimmer. Keiner von ihnen sagte etwas. Sie gaben nur durch Zeichen zu verstehen, daß Vargemyr die Tür aufschließen solle. Die vier traten ein. Vargemyr nahm eine Aktentasche und stopfte den Inhalt seiner obersten Schreibtischschublade hinein, worauf man ihm die Aktentasche sofort wegnahm. Der Inhalt wurde wieder in die Schublade zurückgelegt. Man erlaubte ihm nur, einige persönliche Dinge aus dem Zimmer mitzunehmen. Ferner erhielt er die kurz angebundene Zusage, daß einige Bilder und anderes per Post nachgeschickt werden würden. Danach mußte er seine Codekarte abgeben, seinen Dienstausweis sowie den Schlüssel. Die beiden Kollegen begleiteten ihn zur Tür und ließen ihn hinaus, da er selbst die Sperren nicht mehr überwinden konnte. Das alles war in wenigen Minuten vorbei.
Bergklint ging zur Kaffeeküche am Ende des Korridors und kaufte sich einen Plastikbecher mit schwarzem Kaffee. Drei Kollegen saßen im Raum, und er glaubte, sich vage zu erinnern, daß sie zumindest zu Beginn von Vargemyrs Rausschmiß vor der Kaffeeküche gestanden und zugesehen hatten. Sie warteten jedoch lange, bis sie erste Fragen stellten.
Als einer schließlich nicht mehr an sich halten konnte, bestätigte Bergklint nur, es sei gerade passiert, und zwar genau so, wie man es sich immer erzählt habe. Als sie sich vorsichtig nach dem Grund erkundigten, sagte er nur, der Schwarze Admiral sei sehr kurz angebunden gewesen und habe nur etwas von Plaudereien der Presse gegenüber erwähnt. Der ausführliche Kündigungsgrund sei vermutlich in den Dokumenten zu finden, die sich in dem blauen Aktendeckel befänden. Auch das stimme mit den Gerüchten überein. Er gestikulierte mit der Mappe. Im selben Augenblick ging ihm auf, daß er sie so schnell wie möglich lesen sollte. Er entschuldigte sich und ging zu seinem Zimmer.
Im Aktendeckel befanden sich ungefähr vierzig DIN-A 4- Blätter, meist Kopien verschiedener Berichte, die Vargemyr unterzeichnet hatte. Die ältesten waren zehn Jahre alt und stammten etwa aus der Zeit, um die Vargemyr zur Firma gekommen sein mußte.
Auf den ersten Seiten befand sich eine zusammenfassende Darlegung der dienstlichen Aufgaben, die Vargemyr in seiner Zeit bei der Sicherheitspolizei gehabt hatte. Es folgte eine kritische, um nicht zu sagen äußerst kritische Beurteilung von Teilen von Vargemyrs operativer Tätigkeit. Und in dem weiteren Material befanden sich zwei Anklagepunkte, die mit einer Vielzahl numerierter Anlagen versehen waren. Diese stammten aus Archivmaterial.
Als Vargemyr neu war, hatte man ihn schon bald zu der Gruppe von Kurden-Spezialisten geholt, die sich um Köge und Barrling, Hans Holmérs Ratgeber in Kurdenfragen, scharten.
Einige der von Vargemyr gesammelten Erkenntnisse hatten operative Konsequenzen gehabt, unter anderem eine Reihe von Abschiebungen. Doch die wichtigste Quelle von Vargemyrs Erkenntnissen, zu »Quelle K« anonymisiert, wie es damals üblich war, war vermutlich – Hamilton war sich vollkommen sicher – eine erfundene Quelle, deren Grundlage wiederum ein allgemeines Gebräu von Erkenntnissen war, die aus anderen Quellen stammten. Etwa Abhöraktionen am Telefon, Versuche der Dolmetscher, bestimmten Gesprächen einen kriminellen oder zumindest politischen Inhalt zu geben, sowie eigene Vermutungen oder reines Wunschdenken.
Kommissar Bergklint fiel es schwer, der kurzen
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