Über jeden Verdacht erhaben
wahnsinnig«, sagte Willy Svensén, versank aber sofort in Grübeleien.
»Wir müssen hier in Stockholm eine zentrale Datenbank einrichten«, fuhr Rune Jansson fort. »Mit Registern und dem Sammeln von Erkenntnissen kennen wir uns aus. Und dieser Fall hört sich ja an, na ja, als gebe es einen großen Bedarf dafür. Unsere Aufgabe muß so formuliert werden, als wären wir das Bindeglied zwischen den verschiedenen Polizeibezirken. Es darf auf keinen Fall heißen, wir hätten die Sache an uns gezogen.«
»Und außerdem müssen wir dafür sorgen, daß die Kommunikation funktioniert. Jeder einzelne Polizeidistrikt erhält alle Erkenntnisse, die wir zentral erfassen und ordnen«, fuhr Willy Svensén fort.
»Und wie fangt ihr an, ganz konkret?« fragte Gösta Almblad.
»Wir fangen damit an, daß wir erst mal auf Reisen gehen«, seufzte Willy Svensén. »Es kann nicht schaden, wenn wir die Kollegen persönlich treffen, um die Initiative der Reichskripo auf verständliche Weise darzustellen. Außerdem ist es für uns ein guter Einstieg. Wir könnten auf eine gute Idee kommen, wenn wir das, was wir bei dieser Reise sehen, mit dem vergleichen, was wir schon haben. Und das können die anderen ja nicht. Das heißt, falls es einen Zusammenhang gibt.«
»Den muß es doch wohl geben«, bemerkte der Chef vorsichtig. »Sämtliche Opfer sind Kanaken, und sämtliche Opfer sind auf höchst effektive Weise ermordet worden. Es gibt keine Spuren, nichts ist aufgeklärt. Wenn das kein Zusammenhang ist?«
»Doch, schon«, stimmte Willy Svensén düster zu. »Doch ja, so könnte es aussehen. Wir haben aber ein recht breites Feld von Möglichkeiten, angefangen bei Dracula bis hin zu einer Epidemie. Warum sagst du übrigens Kanaken?«
»Weil Einwanderer kein geeignetes Wort ist«, entgegnete Gösta Almblad blitzschnell. »Mit dem Wort Einwanderer werden manchmal auch Leute bezeichnet, die hier geboren sind und folglich nicht mehr Einwanderer sind als ihr und ich. Birgit Friggebo hat vorgeschlagen, man solle neue Schweden sagen. Aber wenn ich gesagt hätte, drei neue Schweden seien ermordet worden, wäre es damit auch nicht gerade kristallklar geworden.«
»Aha«, sagte Willy Svensén.
»Wann könnt ihr abreisen, und wohin fahrt ihr zuerst?« fragte Gösta Almblad, als wäre das sprachliche Problem damit restlos geklärt.
»Wir werden wahrscheinlich erst nach Umeå fahren«, erwiderte Willy Svensén mit einem Seitenblick zu Rune Jansson, der zustimmend nickte. »Ja, wir werden wohl einen Tag dafür ansetzen müssen, diese Frage der Identifizierung der Estonia-Opfer anderen zu übergeben, dann verschwinden wir.«
»Arbeitet ihr gerade an der Estonia?« fragte ihr Chef verblüfft. »Seid ihr für so was nicht ein bißchen zu überqualifiziert?«
»Es ist ja nicht so leicht, wie du glaubst«, sagte Willy Svensén, als er sich erhob, um zu gehen. Rune Jansson stand ebenfalls auf, und so verabschiedeten sich die drei mit Handschlag, ohne noch etwas zu sagen.
4
Kriminalinspektor Patrik B. Vargemyr gestand sich höchst widerstrebend ein, daß er Angst hatte. Es gehörte zwar nicht zu seinem Bild von sich selbst, daß er vor etwas so Alltäglichem wie einer Konferenz Angst haben konnte. Wenn man aber um 07.00 Uhr zusammen mit seinem nächsthöheren Vorgesetzten zum Schwarzen Admiral gerufen wurde, konnte das nur zwei Dinge bedeuten: Entlassung oder Beförderung. 07.00 Uhr bedeutete im übrigen 07.00 Uhr auf die Sekunde. Es gab einige Geschichten über Kollegen, die zu spät gekommen waren.
Patrik Vargemyr war Hamilton bisher nur bei einer Inspektion und einigen Vorträgen in der Abteilung begegnet. Doch zu mehr als einem Händeschütteln war es nicht gekommen. Er kannte seinen höchsten Chef mehr aus den Legenden, die schon jetzt in der Firma kursierten. Hamilton konnte mehrere Tage hintereinander arbeiten, ohne seine Räume zu verlassen. Nachts saß er Stunde um Stunde an seinem PC. Niemand wußte genau, was er tat. Bekannt war nur, daß er einen Zugangscode hatte, eine Art Sesam-Öffne-Dich zu jedem Rechner in der Firma; alle Mitarbeiter hatten ihre privaten Paßwörter in verschlossenen Umschlägen abgeben müssen. Es war vorgekommen, daß Mitarbeiter am Morgen erschienen, ihre persönlichen Programme einschalteten und auf dem Bildschirm, mit einem Zeitcode versehen, die Notiz TRIDENT vorfanden. Das bedeutete, daß der oberste Chef einem mitteilte, er habe die Nacht in Gesellschaft der Arbeitsnotizen des betreffenden Mitarbeiters
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