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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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verbracht. Es war wie in einer »1984«-Welt: Der Große Bruder sieht dich immer. Hinzu kam eins der vielen Dinge, in denen Hamilton sich von früheren Chefs unterschied: Er beherrschte die Welt der Computer offenbar so gut, daß selbst der einfallsreichste junge Hacker vor Neid erblassen würde. Das hatte niemand erwartet, als die Nachricht von einem »Admiral« als Chef wie eine Bombe in der Firma einschlug. Vielmehr hatte einer der jüngeren Kollegen mit zahlreichen Fortbildungskursen in moderner Computertechnik sich ein bißchen gespreizt und gewitzelt, er werde bei dem neuen Boß gern den Lehrer spielen. Wenn die Gerüchte den Tatsachen entsprachen, verhielt es sich also genau umgekehrt. Der neue Chef konnte sogar in der computertechnischen Dienstleistungsabteilung ohne weiteres Lehrer werden. Einer der dortigen Experten hatte ihn vorbeigehen und fast auf der Stelle ein Problem lösen sehen, mit dem die Abteilung sich schon seit zwei Tagen beschäftigt hatte. Seit Vargemyr die Signatur TRIDENT in seinen Computernotizen entdeckt hatte, waren drei Tage vergangen. Die Kollegen hatten ihm zum Scherz auf den Rücken geklopft und gesagt, so, Vargemyr, jetzt wartet auch auf dich der Augenblick der Wahrheit.
    Er war ins Archiv gegangen und hatte einige Stichproben in Akten gemacht, die er selbst angelegt hatte. Jede einzelne war mit TRIDENT abgezeichnet worden. Daß der Chef einen Mitarbeiter so gründlich unter die Lupe nahm, war offenbar nicht ungewöhnlich.
    Es war ja sogar mit den Leuten geschehen, die man befördert hatte.
    Doch jetzt war nicht leicht auszumachen, worauf die Sache hinauslief, denn was die Computer und Archive über Kriminalinspektor Patrik B. Vargemyr zu erzählen hatten, ergab vermutlich eine Mischung aus guten, erträglichen und weniger guten Jobs.
    Er sah nervös auf die Uhr, die er am Vorabend nach dem Fernseher gestellt hatte. Noch sechs Minuten. Er ging auf den Korridor hinaus, zögerte, ging dann aber plötzlich auf die Toilette und wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser. Dann rückte er seinen Krawattenknoten zurecht. Er versuchte, sich selbst aufmunternd zuzulächeln, und verneigte sich ironisch vor seinem Spiegelbild. Er sagte Willkommen, Herr Kommissar , als wäre es eine Beschwörung. Doch der Versuch hatte nicht die gewünschte Wirkung.
    Sein direkter Vorgesetzter stand vor Hamiltons Tür und warf gerade einen Blick auf die Uhr. Noch dreißig Sekunden.
    Sie nickten sich ein »Guten Morgen« zu. Es hatte den Anschein, als wüßte sein Chef auch nicht, was ihnen bevorstand.
    »Setz dich nicht hin, bevor du dazu aufgefordert wirst«, brummte der Chef und sah erneut auf seine Armbanduhr. Dann hob er langsam die Hand und klopfte deutlich hörbar an, als die Uhr auf genau 07.00 Uhr stand.
    Dann traten sie ein, ohne auf eine Aufforderung zu warten. Das Chefzimmer war für Patrik B. Vargemyr eine vollständige Überraschung, obwohl er schon einige Geschichten gehört hatte. Grober Kokosteppichboden, Möbel aus Eibe mit Messingbeschlägen, Marinegemälde an den Wänden, ein Porträt des Königs und der Königin hinter Hamiltons Schreibtisch, weinrote Ledersessel, grüne Schirme an den Wandlampen, Taue, Messingdetails, ein leichter Teerduft. Es war tatsächlich ein Admiralsquartier.
    Hamilton erhob sich, als sie eintraten. Er war durchtrainiert, frisch rasiert und hatte noch nasses Haar, als wäre er vor weniger als einer Viertelstunde aus der Dusche gekommen. Der Blick, der Vargemyr traf, war nicht freundlich.
    Hamilton ging zu Vargemyrs Vorgesetztem, gab ihm die Hand und zeigte wortlos auf einen der Sessel. Vargemyrs Vorgesetzter setzte sich und zupfte nervös seinen Krawattenknoten zurecht.
    Hamilton gab Vargemyr nicht die Hand, sondern setzte sich schnell wieder hinter seinen Schreibtisch. Vargemyr tat, was ihm sein Vorgesetzter eingeschärft hatte: Er setzte sich nicht, sondern blieb mitten im Raum stehen. Wenn er es nicht schon früher begriffen hatte, so war ihm jetzt klar, daß ihm kaum eine Beförderung bevorstand.
    »Ich habe mit zunehmender Faszination einige Märchen angehört, wie sie in den sogenannten Leichtnachrichten wiedergegeben werden«, begann Hamilton und wandte sich dann mit einer vielleicht überflüssigen Erklärung demonstrativ an Vargemyrs Chef. »Also, das ist ein sogenanntes Nachrichtenprogramm im kommerziellen Alternativ-Fernsehen.«
    Dann machte er eine Pause und sah starr zu Vargemyr hin, dem plötzlich aufging, daß der Mann hinter dem Schreibtisch, der für

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