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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Svenséns Zimmer, um ihre Eindrücke zu vergleichen. Sie waren sich sofort darin einig, daß die Kollegen in Umeå ihre Arbeit gut machten. Sie brauchten nur ein paar Sekunden, um zu dieser Schlußfolgerung zu kommen. Die Papiere waren wohlgeordnet und schlüssig, und niemand war mit irgendwelchen Theorien oder »wichtigen Spuren« vorgeprescht.
    Sie bildeten sich keine Sekunde lang ein, daß es ihnen nach so kurzer Zeit hier oben gelingen könnte, ihre Kollegen zu überstrahlen. Ihnen fiel nicht im Traum ein, ihnen könnte etwas einfallen, was den Kollegen nicht eingefallen war. Sie hatten nicht einmal den Wunsch, daß es so sein könnte.
    Sie begannen damit, über die Vernehmungen zu sprechen. Als erstes über die der Schlägerstudenten dieses Memo, oder wie man diese Karate-Jünger nennen sollte. Es stand außer Zweifel, daß sie sehr an ihrem Ausbilder hingen. Mehrere von ihnen hatte das Ereignis so erschüttert, daß es ihnen schwerfiel, sich auszudrücken. Keiner von ihnen wußte etwas. Alle leugneten mit Nachdruck, es könnte zwischen Memo und Drogenkriminalität einen Zusammenhang geben. Memo wurde durchgehend als enthaltsam lebender Mann beschrieben, der kurdischen Honig sogar anabolen Steroiden vorzog; es war verboten gewesen, in seinem Club solche Präparate zu verwenden.
    Hätte einer von ihnen auch nur die allerleiseste Ahnung davon gehabt, wer Memo hatte ermorden wollen, hätten sie es wohl auch gesagt. Sie wurden ja nur zur Information vernommen und waren immer wieder aufgefordert worden, Vorschläge zu machen oder Ideen vorzutragen. Die vernehmenden Polizeibeamten hatten nicht ganz wahrheitsgemäß versichert, dies alles werde vertraulich behandelt.
    Das meiste sprach dafür, daß dieser Memo, der im übrigen eine der treibenden Kräfte der kurdischen Kulturvereinigung in Umeå gewesen war, sich tatsächlich nichts Kriminelles hatte zuschulden kommen lassen. Was immer man über Karate dachte, denn diese Sportart weckt bei Polizisten nicht gerade positive Gefühle.
    Die Vernehmung seiner früheren Frau, die ebenfalls Kurdin war, war recht unergiebig gewesen. Sie arbeitete als Hilfsschwester im Universitätskrankenhaus und übernahm gelegentlich Nachtdienste. In der Nacht, in der die Morde begangen worden waren, hatte sie ebenfalls gearbeitet und erst am frühen Morgen davon erfahren, als die Polizei eintraf. Sie wußte nichts darüber, ob ihr früherer Mann Feinde gehabt hatte, und konnte sich nichts anderes als rassistische Motive vorstellen, obwohl sie sich nur an gelegentliche rassistische Beschimpfungen bei Kinobesuchen und derlei erinnern konnte.
    Die Vernehmungen Annalena Fayads waren interessanter, jedoch eher verblüffend als klärend.
    Sie war vermutlich der letzte Mensch, der Abbe, wie sie ihn nannte, lebend gesehen hatte, bevor er den Tätern oder dem Täter begegnet war.
    Als man sie zwei Tage nach den Morden verhört hatte, hatte sie, was nicht unerwartet war, kaum mehr zu sagen als bei dem ersten Verhör, bei dem sie offenbar zusammengebrochen war.
    Abbe habe am letzten Abend ein wenig angespannt gewirkt, nicht aggressiv, keineswegs, aber irgendwie geladen. Sie hätten ferngesehen, doch es sei ihm schwergefallen, sich zu konzentrieren. Gegen Mitternacht habe er gesagt, er wolle noch aufbleiben und ein wenig arbeiten, was ihr eigenartig vorgekommen sei, da er das schon früh am Abend hätte erledigen können, statt sich Fernsehsendungen anzusehen, die ihn nicht besonders interessierten. Er hatte sich ins Arbeitszimmer gesetzt, und sie hatte sich schlafen gelegt. Sie war jedoch nicht eingeschlafen – vielleicht hatte sie auch nur sehr leicht geschlafen –, denn sie merkte plötzlich, daß er sich bereit machte, aus dem Haus zu gehen. Darauf war sie aufgestanden und hatte ihn gefragt, was er vorhabe. Es war nicht gerade ein Wetter zum Spazierengehen gewesen. Er hatte einen verlegenen Eindruck gemacht und nur gesagt, er müsse eine Weile hinaus, werde aber bald wieder dasein.
    Da sie unruhig gewesen war, hatte sie nicht wieder einschlafen können. Und als er um drei Uhr noch nicht wieder da war, rief sie die Polizei an. Nicht weil sie glaubte, es sei etwas geschehen, sondern weil sein ungewöhnliches Verhalten sie beunruhigt hatte. Und das Wetter habe natürlich auch eine Rolle gespielt.
    Als die Vernehmungsbeamten sie mit dem Konto konfrontiert hatten, das Abbe bei der Nordbank besaß, ein Konto ohne Sparbuch mit einem Saldo von 73 300 Kronen, hatte sie sehr spontan und erstaunt reagiert.

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