Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel

Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel

Titel: Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jandy Nelson
Vom Netzwerk:
es ihr nach, unsere ganze Wut verwandelt sich in ein haltloses, enormes Gelächter – wir krümmen uns beide, versuchen Luft zu holen und es ist ein großartiges Gefühl, selbst wenn ich an Sauerstoffmangel eingehen sollte.
    »Tut mir leid«, sage ich zwischen den Japsern.
    Sie quält heraus: »Nein, mir. Ich hatte versprochen, nicht so zu reagieren. Fühlte sich aber total gut an, es dir zu geben.«
    »Gleichfalls«, quietsche ich.
    Mit der Schürze voller Tomaten, Paprika und Zwiebeln kommt Maria wieder hereingefegt, sie guckt uns an und sagt: »Du und deine irre Kollegin, raus hier. Mach Pause.«
    Sarah und ich lassen uns vor dem Laden auf die Bank fallen. Die Straße erwacht zum Leben, sonnengebräunte Paare aus San Francisco stolpern aus Frühstückspensionen. In schwarze Klamotten gehüllt suchen sie nach Pfannkuchen, Fahrradschläuchen oder Gras.
    Kopfschüttelnd zündet Sarah sich eine Zigarette an. Ich hab sie durcheinandergebracht. Das ist keine leichte Sache. Ich weiß, dass sie immer noch gerne poltern würde : Was in aller fliegenden Füchse Namen hast du dir dabei gedacht, Lennie ? Aber sie tut es nicht.
    »Okay, die Aufgabe, die sich jetzt stellt, ist, den Fontainejungen zurückzukriegen«, sagt sie ruhig.
    »Genau.«
    »Ihn eifersüchtig zu machen, kommt offensichtlich nicht infrage.«

    »Offensichtlich.« Ich stütze das Kinn in die Hände und schaue hoch in den tausendjährigen Mammutbaum auf der anderen Straßenseite – konsterniert pliert er auf mich runter. Er würde mir, dem Frischling auf der Erde, gern in den miesen Hintern treten.
    »Ich weiß!«, ruft Sarah. »Du verführst ihn.« Sie senkt die Lider, macht um die Zigarette herum einen Schmollmund, inhaliert tief und stößt einen perfekten Rauchring aus. »Verführung klappt immer. Mir fällt kein Film ein, in dem das fehlgeschlagen hätte. Und dir?«
    »Das meinst du doch wohl nicht ernst. Er ist so verletzt, so angepisst. Er redet nicht mal mit mir, ich hab heute schon drei Mal angerufen … und – nicht vergessen – wir reden hier von mir, nicht dir. Ich hab keinen Schimmer, wie man verführt.« Ich bin völlig fertig – immerzu sehe ich Joes Gesicht vor mir, versteinert, leblos, so wie gestern Abend. Wenn es je ein Gesicht gegeben hat, das unzugänglich für Verführungen war, dann dieses.
    Sarah wirbelt ihren Schal mit der einen Hand herum, mit der anderen raucht sie. »Du musst nichts tun , Len, nur morgen bei der Probe auftauchen und toll aussehen, unwiderstehlich .« Sie spricht unwiderstehlich aus wie ein Wort mit zehn Silben. »Seine tobenden Hormone und die wilde Leidenschaft für dich erledigen den Rest.«
    »Ist das nicht unglaublich oberflächlich, Ms französische Feministin?«
    » Au contraire, ma petite . Diesen Feministinnen geht es ja darum, den Körper zu feiern, seine langage .« Sie fuchtelt mit dem Schal. »Wie ich schon sagte, die sind alle auf jouissance
aus. Als Mittel, versteht sich, um das dominierende patriarchalische Paradigma und den weißen, männlichen Kanon der Literatur zu zerrütten, aber darauf können wir ein anderes Mal näher eingehen.« Sie schnippt ihre Zigarette auf die Straße. »Egal, schaden kann’s nicht, Len. Und es macht Spaß. Mir jedenfalls …« Traurigkeit zieht wie eine Wolke über ihr Gesicht.
    Wir wechseln einen Blick, in dem die ungesagten Worte von Wochen mitschwingen.
    »Ich hatte bloß gedacht, dass du mich nicht mehr verstehen könntest«, platzt es aus mir heraus. Ich hatte mich wie ein anderer Mensch gefühlt, während Sarah für mich dieselbe alte Sarah geblieben war, und ich wette, Bailey war es mit mir genauso gegangen und sie hatte auch recht gehabt. Manchmal muss man eben einfach auf seine ganz eigene chaotische Art irgendwo durch.
    »Ich konnte das nicht verstehen«, ruft Sarah aus. »Echt nicht. Hab mich – fühl mich so nutzlos, Lennie. Und Mann, diese Trauerbücher kotzen mich an, die sind so formelhaft, so total hundertprozentiger Scheißdreck.«
    »Danke«, sage ich. »Dass du sie gelesen hast.«
    Sie guckt auf ihre Füße. »Mir fehlt sie auch.« Bis zu diesem Moment war mir gar nicht in den Sinn gekommen, dass sie diese Bücher auch für sich selbst gelesen hat. Aber klar. Sie hatte Bailey verehrt. Ich hab sie ganz allein trauern lassen. Und ich weiß nicht, was ich sagen soll, deshalb lange ich über die Bank und drücke sie. Ganz fest.
    Ein Auto hupt, ein Haufen grölender Doofnüsse von Clover High sitzt drinnen. Die können aber auch alles

Weitere Kostenlose Bücher