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Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel

Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel

Titel: Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jandy Nelson
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im Korb bis oben ins Blätterdach gefahren ist, und du weißt schon …« Sie zwinkert mir zu. »Da haben sie gepicknickt.«
    Ich stöhne. »Maria, bitte, er ist mein Onkel.«
    Sie lacht, dann schwatzt sie über ein Dutzend weiterer Techtelmechtel in Clover daher, bis Sarah – angetan wie ein auf Paisley spezialisierter Stoffladen – ihren Auftritt hat. Sie stellt sich in die Tür, hebt die Arme und macht das Friedenszeichen mit beiden Händen.
    »Sarah! Wenn du nicht aussiehst wie meine Doppelgängerin vor zwanzig – ach, fast dreißig Jahren!«, sagt Maria, die in den Kühlraum steuert. Die Tür fällt hinter ihr zu.
    »Warum schickst du ein SOS?«, sagt Sarah. Der Sommertag ist mit ihr hereingekommen. Ihr Haar ist noch nass vom Schwimmen. Als ich vorhin angerufen habe, war sie mit Luke am Flying Man’s, wo sie an irgendeinem Lied »gearbeitet« haben. Ich kann den Fluss noch an ihr riechen, als sie mich über den Tresen hinweg umarmt.
    »Trägst du Zehenringe?«, frage ich, weil ich mein Geständnis noch etwas hinausschieben möchte.
    »Klar.« Damit ich sie sehen kann, hebt sie ihr kaleidoskopisch gewandetes Bein in die Luft.
    »Eindrucksvoll.«
    Auf ihrer Seite des Tresens hüpft sie auf den Hocker mir gegenüber und knallt ihr Buch auf die Ladentheke. Ich werfe
einen flüchtigen Blick darauf: Es ist von einer Hélène Cixous. »Lennie, diese französischen Feministinnen sind ja so viel cooler als diese blöden Existenzialisten. Ich fahr ja so was von ab auf dieses Konzept der jouissance , der alles übersteigenden Verzückung, über die du und Joe sicher gut Bescheid wisst -« Mit unsichtbaren Stöcken trommelt sie die Luft.
    »Wusstet.« Ich hole tief Luft. Bereite mich auf das Hab ich doch gleich gesagt des Jahrhunderts vor.
    Ihr Gesichtsausdruck bleibt irgendwo zwischen Unglauben und Schock stecken. » Wusstet – was willst du damit sagen?«
    » War mal, soll das heißen.«
    »Aber gestern …« Sie schüttelt den Kopf, versucht die Neuigkeit zu verarbeiten. »Ihr beiden seid nach der Probe davongesprungen, wir anderen waren ganz krank von der eindeutigen, unwiderlegbaren, unverkennbaren wahren Liebe, die aus jeder Pore eurer an der Hüfte zusammengewachsenen Körper drang. Rachel wär fast explodiert. Es war himmlisch.« Und dann dämmert es ihr. »Nein, das hast du nicht gemacht!«
    »Bitte, komm jetzt nicht mit’ner Kuh, einem Pferd, Erdferkel oder sonst einem Vieh nieder. Keine Moralpolizei, okay?«
    »Okay, versprochen. Jetzt sag mir, du hast das nicht getan. Ich hatte ein schlechtes Gefühl, hab ich dir gleich gesagt.«
    »Doch, ich hab’s getan.« Ich halte mir die Hände vors Gesicht. »Gestern Abend hat Joe gesehen, wie wir uns geküsst haben.«
    »Das soll wohl ein Witz sein.«
    Ich schüttele den Kopf.

    Wie auf ein Stichwort zischt geräuscharm wie eine 747 eine Bande von Miniatur-Tobys auf ihren Skateboards vorbei, als wollten sie den Bürgersteig aufreißen.
    »Aber warum, Len? Warum tust du so was?« Ihr Ton ist erstaunlich wenig verurteilend. Sie will es wirklich wissen. »Du liebst Toby doch nicht.«
    »Nein.«
    »Und du bist dementoid wegen Joe.«
    »Absolut.«
    »Warum also?« Das ist die Millionenfrage.
    Ich stopfe zwei Cannellonis und entscheide mich für eine Formulierung: »Ich glaube, es hat damit zu tun, wie sehr wir beide Bailey lieben, auch wenn sich das verrückt anhört.«
    Sarah starrt mich an. »Du hast recht, das hört sich verrückt an. Bailey würde dich umbringen .«
    Mein Herz rast wie wild in meiner Brust. »Ich weiß. Aber Bailey ist tot , Sarah. Und Toby und ich kommen damit nicht zurecht. Und dann ist es so passiert. Okay?« In meinem ganzen Leben hab ich Sarah noch nie angebrüllt, und das hier ging jetzt definitiv in Richtung Brüllen. Aber ich bin wütend auf sie, weil sie gesagt hat, was ich selbst weiß. Bailey würde mich tatsächlich umbringen, und deshalb möchte ich Sarah weiter anschreien, was ich auch tue. »Was soll ich denn machen? Buße tun? Soll ich mein Fleisch kasteien, meine Hände in Säure baden oder mir Pfeffer ins Gesicht reiben wie die heilige Rosa? Wie wär’s mit einem härenen Gewand?«
    Sie kriegt Stielaugen. »Ja, genau das solltest du machen, finde ich!«, brüllt sie, aber dann zuckt ihr Mund ein bisschen. »Richtig, wirf dich in ein härenes Gewand, zieh dir’ne
härene Mütze dazu an. Ein ganzes härenes Ensemble!« Die Gesichtszüge entgleisen ihr und sie blökt: »Die heilige Lennie«, dann biegt sie sich vor Lachen. Ich tue

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