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Über Stock und Runenstein

Über Stock und Runenstein

Titel: Über Stock und Runenstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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— laß das doch, Jane. Du
sollst deine kleinen Krallen nicht an Mamis Beinen schärfen. Geh zu Daddy. Was
ich sagen wollte, ich habe heute eine weitere tolle Entdeckung gemacht.«
    »Ein pressefrischer Erstdruck von Poes Tamerlane?«
    »Etwas viel Besseres. Ich durchwühlte
gerade einen Karton mit alten Postkarten und Karten zum Valentinstag, die
übrigens einen enormen Sammlerwert haben, und stieß dabei auf Belial Buggins
private Tagebücher.«
    »Belial? Du meinst den Buggins, der die
Bibliothek gestiftet hat? Ich dachte immer, er hieß Bedivere.«
    »Richtig. Belial war Bediveres Bruder.
Und er war außerdem Dichter.«
    »Wußte gar nicht, daß er Geschwister
hatte. Helen, dieses kleine Monster frißt mir die Hemdknöpfe vom Leib.«
    »Dann halt sie davon ab. Sie wird krank
davon. Komm schon, Jane, wir holen dir Milch und Plätzchen.«
    Sie pflückte den kleinen gestreiften
Fellball vom Brustkorb ihres Mannes und trug Jane in die Küche. »Deshalb ist
der Fund auch so wichtig. Jedenfalls für mich. Warte einen Moment. Jane,
Schätzchen, bitte nimm die Pfoten aus der Untertasse. Was man als Mutter aber
auch alles durchmachen muß!«
    Helen kam mit einem Teller mit Käse und
Crackern zurück. »Heute abend gibt es nur Salat und kaltes Fleisch, also bedien
dich ordentlich. Peter, Belial war wirklich erstaunlich! Er hat sich selbst
Finnisch beigebracht, so daß er die Kalevala im Original lesen konnte.
Kaum zu glauben! Und das alles hier in Balaclava County.«
    »Und warum bitte nicht in Balaclava
County? Damals konnte schließlich jeder einfache Lehrer noch Griechisch und
Latein.«
    »Das ist reine akademische
Überheblichkeit, und das weißt du auch. Viele Lehrer konnten wahrscheinlich
kaum McGuffeys Lesebuch für die fünfte Klasse lesen. Finnisch ist eine
unwahrscheinlich schwierige Sprache. Deshalb stehen die meisten Finnen auch
immer einfach da, sehen attraktiv aus und machen den Mund nicht auf. Ich kannte
früher mal einen göttlich aussehenden Finnen. Er hieß Paali. Ich wäre ihm
damals bis ans Ende der Welt gefolgt.«
    »Und warum hast du es dann nicht
getan?« knurrte Peter.
    »Meine Mutter hätte es nicht erlaubt.
Außerdem kann ich mich nicht erinnern, daß er es mir je vorgeschlagen hat. Das
einzige, was er zu mir gesagt hat, war: ›Halt den Mund, und geh sofort zurück
ins Bett.‹«
    »Gütiger Himmel! Und warum das?«
    »Sicher, weil meine Brüder wieder Radau
machten. Das haben sie meistens gemacht. Er war unser Babysitter. Ich war
damals etwa acht Jahre alt.«
    »Gnädige Frau, das war die Enttäuschung
des Tages. Es sei denn, du wolltest mir gerade mitteilen, was Belial getan hat,
nachdem er die Kalevala im finnischen Original gelesen hatte.«
    »Das wollte ich zwar, aber wenn du
weiter so gemein bist, werde ich es unterlassen.«
    »Das kommt daher, daß ich so krankhaft
eifersüchtig bin«, erwiderte Peter, den Mund voll Cracker. »Fahr bitte mit
deinem Bericht fort. Hat er den Rest seines Lebens gutaussehend und stumm
verbracht?«
    »Nein, er hat eine Saga verfaßt, genau
wie Longfellow, nur anders.«
    »Wie anders?«
    »Nun ja, leider lange nicht so
poetisch. Er hat wie verrückt von Hiawatha geklaut und dann noch eine Prise
Pseudo-Mystizismus hinzugefügt, mit dem Grace und ich nicht viel anfangen
konnten.«/
    »Zum Beispiel?« Peter hatte eine
Schwäche für Knittelverse.
    »Ich wußte, daß du das fragen würdest,
also habe ich das erste Stück abgeschrieben.« Helen fischte ein zerknülltes
Stück Papier aus der Schürzentasche. »Es fängt folgendermaßen an:
     
    ›Beim
klaren Bach von Balaclava,
    Im
geistberauschten Abendrot,
    Steht
Belial, der bärt’ge Barde,
    Mann des
Feuers, Mann des Wassers,
    und
Drosseln zwitschern im Wacholder — ‹
     
    Peter, du willst doch bestimmt nicht
noch mehr von diesem Unsinn hören?«
    »Aber natürlich will ich das, meine
kleine Lotusblüte.« Shandy erhob sich und gab seiner Frau einen keuschen Kuß
auf die Stirn. »Belial war kein Mystiker, sondern ein kleiner Spaßvogel.
Versuch nur mal, die Worte ›klaren‹, ›Geist‹, ›berauscht‹, ›Feuer‹ und ›Wasser‹
in einen bestimmten Zusammenhang zu setzen. Und was bekommt man dann?«
    »Ich nehme an, einen schrecklichen
Kater«, erwiderte Helen und verfärbte sich höchst attraktiv rosenrot. »Was
können Grace und ich denn dafür, daß wir so reine, unschuldige Gedanken haben?
Ich hatte schon angenommen, er müßte etwas verwirrt gewesen sein, um dieses
Zeug zu schreiben.«
    »Kein

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