Über Stock und Runenstein
Krankenhaus ruft man dauernd an und fragt, wo sie sind,
aber sie amüsieren sich offenbar so gut, daß sie gar nicht zurückwollen.«
Shandy sagte noch einmal »Großer Gott!«
und rannte ins Haus.
Jedenfalls war Timothy Ames nicht tot.
Er brüllte wie Bashan, doch seine Stimme klang etwas lallend. »Wo ist Pete? Um
Gottes willen, wann findet ihr ihn denn endlich?«
Shandy folgte dem Gebrüll und fand
seinen alten Freund im ersten Stock ausgestreckt auf einem Bett, auf dem ihn
sein Sohn Roy festzuhalten versuchte.
»Dad, du mußt unbedingt — oh, Professor
Shandy! Gott sei Dank, daß Sie kommen. Könnten Sie vielleicht versuchen, ihn zu
beruhigen?«
Shandy ergriff die hornige, erdfarbene
Hand seines Freundes. »Tim«, schrie er, »mir ist nichts passiert. Hast du dein
Gerät eingeschaltet?«
Ames gelang ein Grinsen. »Ich kann dich
hören, Pete. Ich bin angeknipst, und mir geht’s gut. Ich hab’ mir allerdings
‘nen Hexenschuß geholt, als ich versucht habe wegzukommen. Der ganze verdammte
Misthaufen kam auf mich zugesaust. Es wär’ ein schrecklicher Abgang gewesen.
Jedenfalls braucht Henny jetzt ‘ne ganze Zeit nicht mehr zu düngen. Das Zeug liegt
bestimmt kniehoch überall herum. Miss Hilda hat mich gebadet. Ich glaube, sie
hat mir eins ihrer Nachthemden angezogen. Ich trau’ mich gar nicht hinzusehen.«
»Ich habe dich gebadet, Dad«, sagte
Roy, der aussah, als ob er ein wenig geweint hätte. »Und was du da anhast, ist
Hennys Ersatznachthemd. Miss Hilda hat nur Aufsicht geführt. Sie war aber
leider nicht besonders beeindruckt. Sie sagte, ihr jungen Grünschnäbel hättet
auch nicht mehr besonders viel vorzuweisen.«
»Man muß mit dem Wenigen zufrieden sein,
was Gott einem gegeben hat. Apropos Grünschnäbel, was ist mit dem Jungen? Geht
es ihm gut? Hat mir das Leben gerettet. Seine Reflexe waren besser als meine.
Hat sich zwischen mich und die Flak geworfen.«
»Ihm geht es gut, Dad. Als ich ihn
zuletzt sah, wurde er mit dem Gartenschlauch abgespritzt, und seine Mutter war
völlig außer sich.«
»Kein Wunder. Jetzt weiß er ‘ne Menge
mehr über organische Düngemittel, als ihm lieb ist, wette ich. Pete, wir müssen
dem Jungen ein Stipendium verschaffen, ich bezahl’ die Rechnungen, und du
klärst es mit Svenson.«
»Sprichst du von dem jungen Ralphie
Horsefall?«
»Dem Jungen vom Großneffen, ‘n magerer
Frischling, der hier für Henny ausmisten kommt. Hat das richtige Zeug zu einem
Farmer. Wo zum Teufel bist du denn bloß gewesen, Pete?«
»Zu meiner Schande muß ich gestehen,
daß ich nach Hause gefahren bin, ohne dir Bescheid zu sagen. Helen und ich
sahen uns die Nachrichten im Fernsehen an. Dieser Bengel Swope hatte ein
Kamerateam hergeschleppt, wie du sicher schon weißt, und sie brachten auf
einmal eine Meldung über die Explosion. Als ich hörte, daß du...« Aus
irgendeinem Grund versagte seine Stimme plötzlich. Er räusperte sich und setzte
neu an. »Was ist denn nun eigentlich passiert?«
»Hab’ ich ja schon gesagt. Der
Misthaufen ist in die Luft geflogen. Ich zeigte dem Jungen gerade, daß der
Boden in diesem Gebiet ganz besonders fruchtbar ist wegen der vielen
Spurenelemente. Das nächste, an das ich mich erinnern kann, war so etwas wie
ein gurgelndes Zischen, und dann flogen uns auch schon die Pferdeäpfel um die
Ohren. Das war das erste Mal, daß ich so was gesehen habe, und ich habe schon
verdammt viele Misthaufen gesehen. Wenn du mich fragst, hat Orm ‘nen ganz schön
derben Humor.«
»Gütiger Gott! Soll das etwa auch
wieder der Wikingerfluch gewesen sein?«
»Wieso nicht? Ich glaube, ich mach’
noch ein bißchen die Augen zu, wenn es dir nichts ausmacht.«
Shandy klopfte unbeholfen auf die
Schulter unter Hennys Ersatznachthemd und verließ den Raum auf Zehenspitzen.
Roy folgte ihm und schloß die Tür.
»Er ist wieder ganz in Ordnung,
Professor Shandy. Es ist hauptsächlich der Schock. Ich bin selbst noch ein
bißchen wacklig auf den Beinen. Dad weiß gar nicht, wie viel Glück er und
Ralphie hatten. Wenn sie ein paar Meter näher an dem Misthaufen gewesen wären
und wenn Ralphie nicht so geistesgegenwärtig gewesen wäre, ich — ich will
lieber nicht darüber nachdenken.«
»Ich auch nicht, Roy. Was hältst du von
der Orm-Theorie?«
»Orm? Zum Teufel mit dem Quatsch. In
der Antarktis mußten wir manchmal sprengen, wenn wir in den Eisschollen
feststeckten, und natürlich mußte es ganz vorsichtig angestellt werden, wegen
des ökologischen Gleichgewichts,
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